„Wir müssen uns für die Zukunft rüsten“

Ruth Oberrauch ist Mitglied im Führungsteam der Oberalp-Gruppe. Mit der Tochter des Firmengründers und -Leiters Heiner Oberrauch sprach der outdoor.markt über die aktuellen und zukünftigen -Herausforderungen im Markt für Bergsport, den das Südtiroler Unternehmen mit den Marken Salewa,  Dynafit, Wild Country, Pomoca und Evolv als sein Betätigungsfeld definiert hat.

 

Schon als Schülerin schnupperte Ruth Oberrauch (Foto) ins Verkaufsgeschäft hinein, als sie in den Sommerferien immer wieder in einem der Modehäuser der Unternehmens-Gruppe ihres Vaters Heiner. Allerdings habe ihre Mutter, erzählt die 34-Jährige im Interview mit dem outdoor.markt, drauf geachtet, dass das Unternehmen, zu dem neben den Sport- und Modehäusern vor allem die Bergsport-Markenfamilie Oberalp gehört, zu Hause nicht zu viel Raum in den Gesprächen einnahm.

Nach der Schulzeit folgte für Ruth Oberrauch das Studium in Wirtschaft und Marketing. In dieser Zeit führte sie eines der Modegeschäfte selbst. Anschließend sammelte sie zunächst Erfahrungen in anderen Unternehmen, erst bei Spinazè im Veneto, dann bei der Pentland Group in London. Als sie danach wieder zurück nach Bozen ging, fing sie bei der Oberalp AG im Marketing an. 2012 erhielt sie die Zuständigkeit für das Thema Nachhaltigkeit. „Ich habe begonnen, dieses Thema zu strukturieren, ein Verständnis dafür zu entwickeln, Ziele zu setzen und einen roten Faden in das Ganze zu bringen“, sagt sie.  „Vor allem ging es mir darum, dass es als Haltung im Unternehmen verankert ist.“ Inzwischen hat Oberalp ein Team von vier Experten in verschiedenen Bereichen des Themas Nachhaltigkeit, das an Ruth Oberrauch berichtet. Sie war darüber hinaus in den vergangenen Jahren auch im Bereich Human Ressources tätig, der ihr noch mal einen ganz anderen Einblick in das Unternehmen verschafft habe, etwa was die Organisation betreffe. Ruth Oberrauch sitzt inzwischen in den obersten Gremien des Unternehmens. Mit einer Frage zu ihrer zukünftigen Rolle bei Oberalp haben wir unser Gespräch begonnen.

outdoor.markt: Frau Oberrauch, spreche ich gerade mit der zukünftigen Leiterin der Oberalp-Gruppe?

Ruth Oberrauch: (lacht) Es hat ja in den letzten Jahren schon viele personelle Veränderungen bei Oberalp gegeben. Mit Christoph Engl als neuem CEO haben wir eine sehr starke Führungspersönlichkeit. Das ist jemand mit einem externen Blickwinkel, er kommt ja nicht aus der Branche, hat dadurch einen vielleicht neutraleren Blick und bringt viel Neues ein. Ich bin heute schon Teil eines siebenköpfigen Führungsteams, das Oberalp Executive Team, in dem unter anderem auch Christoph Engl und mein Vater sitzen. Zudem bin ich auch in den Verwaltungsrat berufen worden, dem mein Vater aber weiterhin als Präsident vorsteht. Er übergibt zunehmend Verantwortung an Christoph Engl und mich. Es wird insofern keinen abrupten Wechsel geben, sondern eine schrittweise Entwicklung. Oberalp ist ein Management-geführtes Familienunternehmen, und wir werden auch weiter auf ein professionelles Management setzen.

Zu den jüngsten Neuigkeiten von Oberalp zählte der Zukauf von Evolv und der Bau eines neuen Firmensitzes für Dynafit in Kiefersfelden. Sind dies Zeichen dafür, dass das Unternehmen gut dasteht?

Wir sind heute ein solides Unternehmen, wissen aber auch, dass wir uns für die Zukunft rüsten müssen. Da warten ganz neue Herausforderungen, deshalb scheuen wir uns nicht vor Investitionen. Das neue Gebäude in Kiefersfelden gibt der Marke Dynafit, neben Salewa der größten Marke der Oberalp-Gruppe, eine Heimat nahe der Berge. Salewa hat sein Zuhause ja im Headquarter in Bozen. Nun wollen wir auch ein Zeichen für Dynafit am nördlichen Tor der Alpen setzen. Marken brauchen einen Leuchtturm, und dieser soll in Kiefersfelden für Dynafit entstehen.    

Welche Bereiche werden in Kiefersfelden angesiedelt werden?

Das strategische Management von Dynafit inklusive des gesamten internationalen Marketings und der Entwicklungsabteilung für Bindungen. Unser Kompetenzzentrum für Bekleidung ist in Bozen angesiedelt, das für Footwear in Bozen. In Kiefersfelden findet aber auch die Region Dach eine neue Heimat. Es wird also auch das gesamtem Sales Team, Customer Care und die Verwaltung für die Region hier angesiedelt sein.

Was bedeutet der Zukauf der Kletterschuh-Marke Evolv für Oberalp?

Oberalp definiert sich als Bergsport-Spezialist, mit den verschiedenen Marken in verschiedenen Bereichen. Durch die Übernahme von Evolv konnten wir unser Segment Klettern mit Kletterschuhen vervollständigen. Und wir stellen auch schon fest, dass wir mit dem Doppelpaket Wild Country und Evolv als Paketlösung für den Kletterer eine stärkere Durchschlagskraft haben.

Welche Bedeutung hat das Segment Klettern für Oberalp?

Eine sehr hohe, weil es das größte Wachstumspotenzial innerhalb des Bergsports hat. Durch den Boom der Kletterhallen wird der Berg auch in ein urbanes Umfeld gebracht. Christoph Engl sagt: „Die Kletterhalle ist der einzige Berg, der noch wächst.“ Mittlerweile gehen viele Klettersportler in die Halle, um sich vorzubereiten und zu trainieren, etwa in den kalten Monaten. Manche fokussieren sich vollständig darauf, sich technisch an der künstlichen Wand zu perfektionieren.

Wie schätzen sie insgesamt die  zukünftigen Potenziale im Bergsport ein?

Der Bergsport bietet insgesamt zwar einerseits ein großes Potenzial, aber es gibt auch Herausforderungen, zum Beispiel im Bereich Vertrieb. Online wird weiter wachsen, der stationäre Handel wird weiter seine Bedeutung haben, wird sich aber vermehrt auf andere Dinge fokussieren müssen. Da wird es zunehmend mehr um Beratung gehen, weniger um Verkauf. Trends wie Individualisierung oder  Personalisierung, aber auch das Thema Sharing Economy werden eine immer größere Rolle spielen. All diese Entwicklungen stellen nicht nur Herausforderung für Marken und Handel dar, sondern auch für die gesamte Supply Chain, weil wir Dinge ganz neu denken müssen.

Eine der Herausforderungen ist auch der Klimawandel und seine Folgen, gerade im Wintersport …

Ja, damit müssen wir müssen uns alle auseinandersetzen. Im Wintersport ändert sich sehr viel. Neben dem Skifahren sind auch Aktivitäten abseits der Pisten stark im Kommen – ob Schneeschuh-Wandern, Skitouren-Gehen, Rodeln oder anderes. Wir haben uns als Gruppe überlegt, wie wir uns weg von einem rein saisonal geprägten Anbieter mit den entsprechenden Sportarten für Sommer und Winter hin zu einem Ganzjahresanbieter entwickeln können. Mit Salewa haben wir als erste Bergsportmarke»  den Herbst als neue Saison entwickelt, mit einer eigenen Kollektion für den Herbst. Dynafit bietet eine Kollektion für Berglauf an, die über das ganze Jahr -funktioniert. 

Welche Veränderungen erkennen Sie außerdem – was beispielsweise die Zielgruppe und die Sportarten betrifft?

Die Menschen suchen mehr und mehr die Möglichkeit, eine Auszeit vom stressigen Alltag in der Natur zu nehmen. Das Bedürfnis, draußen aktiv zu sein, wächst. Dabei geht es immer mehr um das Erleben. Und bei der Gestaltung des Erlebens entwickeln sich neue Formen und neue Sportarten. Speedhiking oder Hike to fly zum Beispiel, die wir von Salewa auch maßgeblich mitgeprägt haben, wurden von jungen Bergsportlern entwickelt, die neue Zugänge zum Berg suchen. Dazu gibt es Verschiebungen von anderen Sportarten. Denken wir beispielsweise an den Laufsport: Immer mehr Läufer entdecken den Berglauf.

Es ist viel davon die Rede, dass Marken Erlebnisse vermitteln müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen …

Aus meiner Sicht wird es für Marken immer wichtiger zu erklären, wofür sie stehen. Heute kaufen Menschen kaufen heute nicht nur einfach ein Produkt. Kunden entscheiden sich für eine Marke, weil sie die Werte, die hinter der Marke stehen, teilen. Insofern glaube ich, dass es in Zukunft nicht mehr reicht, ein Produkt nur zu beschreiben und seine Qualitäten hervorzuheben, sondern den damit verbundenen Wert zu erklären, also auch das Warum, nicht nur das Wie.

Wenn man von Herausforderungen und Strategien für die Zukunft spricht, muss man auch über Regionen und Absatz–
märkte sprechen. Wie stark richtet Oberalp seinen Blick über -Europa hinaus?

Rund 80 Prozent unserer Umsätze generieren wir in Europa. Die Alpen sind unsere Heimat, die Region, in der wir uns verwurzelt fühlen. Hier wollen wir ganz stark aufgestellt sein und bleiben. Aber: Der Outdoormarkt in Europa wächst nicht mehr. Also müssen wir uns überlegen, wie wir uns in anderen Märkten besser aufstellen.  Da richten wir den Blick einerseits nach Nordamerika. Durch Evolv als nordamerikanischer Marke vergrößern wir unsere Möglichkeiten, dort besser Fuß zu fassen. Das war auch eine wichtige Überlegung bei der Übernahme. Andererseits geht unser Fokus auch nach Asien. Wir arbeiten schon mit starken Lizenzpartnern in Korea und China zusammen, die Kollektionen für die dortigen Märkte entwickeln. Wir müssen nun noch besser verstehen, wie Bergsport in diesen Ländern gelebt wird. Die Kletterhalle ist dabei ein erster Zugang. Die Hallen, die dort entstehen, haben aktuell noch vor allem Unterhaltungscharakter. Aber das Thema Klettern entwickelt sich.

Ein Thema, das schon aktuell die Branche sehr prägt und dies sicher auch weiter tun wird,  ist Nachhaltigkeit. Sie wirken bei Oberalp maßgeblich an diesem Thema mit. Wie ist die Gruppe diesbezüglich aufgestellt?

Für mich ist Nachhaltigkeit eine Frage der Haltung und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Bei Oberalp haben wir das Thema auf zwei Säulen gestellt: Mensch und Produkt. Es geht einerseits um den achtsamen Umgang mit Mitarbeitern und darum, dass entlang der Lieferkette bei den Arbeitsbedingungen und der Einhaltung von Arbeitnehmer- und Menschenrechten unsere Standards eingehalten werden. Wir legen deshalb Wert auf eine langfristige Zusammenarbeit mit unseren Partnern, denn nur so können wir gemeinsam Dinge bewegen und zum Positiven verändern. Seit 2013 sind wir Mitglied in der Fair Wear Foundation, die sich die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie zum Ziel gesetzt hat.  Dafür werden etwa Audits in den Produktionsstätten durchgeführt, was eine wichtige Voraussetzung ist, um gemeinsam mit den Lieferanten die Bedingungen zu verbessern. Die Säule Produkt umfasst viele verschiedene Themen wie die ressourcenschonende Produktentwicklung, das Chemikalien-Management, wofür wir eine markenübergreifende Abteilung im Haus haben, oder der Einsatz nachhaltiger Materialien. Auch natürliche Materialien spielen dabei eine Rolle, was in dem technischen Segment, das wir abdecken, nicht immer möglich ist. Wir arbeiten etwa mit Wolle oder Hanf.

Haben Sie technologisch etwas Neues im Portfolio?

Ja. 2020 lancieren wir mit Salewa zum Beispiel die ersten Produkte mit unserer neuen Technologie „Responsive“. Natürliche, in den Faden eingebettete Mineralien, reflektieren die Energie, die der Körper ausstrahlt, in Form von Infra-rotstrahlung. Diese wirkt direkt im Muskel, fördert die Durchblutung und einen bessere Sauerstoff-Transport. Damit produziert der Körper bis zu 18 Prozent weniger „Milchsäure“. Bessere Regeneration und längere Performance sind die positiven Effekt.

Wie werden Sie auf der ISPO Munich präsent sein, und welche Rolle spielen diese großen Leitmessen für Oberalp noch?

Wir haben ja in den letzten Jahren unseren Messeauftritt von der „Marken-Kathedrale“ zu einer Business-Lounge hin entwickelt. Dieses Konzept werden wir weiterführen, auch für die ISPO. Die Messe bleibt eine wichtige Plattform für die Präsenz der Gruppe. Der Mehrwert ergibt sich durch das internationale Netzwerk an Handelspartnern und Industriekollegen, das wir dort pflegen können. Mit unseren strategischen Partnern fokussieren wir Zeit und Energie im Sinne von Produktpräsentationen und Erlebnis aber weiter auf unserer Convention.

Vielen Dank für das Gespräch!

www.oberalp.com

Comments are closed.