Adrian Huber beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit den verschiedenen Aspekten von Nachhaltigkeit. Bei Mammut ist er als Head of Corporate Responsibility für die diesbezügliche Strategie zuständig. outdoor.markt sprach mit ihm darüber, wie sich das Thema Nachhaltigkeit bei der Schweizer Outdoor-Marke und in der Branche insgesamt entwickelt hat.
outdoor.markt: Wann sind Sie bei Mammut und seit wann dort speziell für Nachhaltigkeitsthemen zuständig?
Adrian Huber: Ich bin seit 20 Jahren bei Mammut, die Themen Nachhaltigkeit und Corporate Responsibility haben mich dabei in verschiedenen Führungsrollen und Funktionen von Anfang an umgetrieben. Zunächst war ich verantwortlich für die Bekleidungsabteilung. Da ist das Interesse am größten. In Bezug auf eine Funktionsjacke interessieren Sozial- und Umweltstandards die Konsumenten und Stakeholder mehr als bei einem Karabiner. Danach war ich die treibende Kraft, die in enger Zusammenarbeit mit den Teams die ganzen Nachhaltigkeits-Initiativen bei Mammut aufgebaut und lanciert hat.
Hatten Sie auch vor Ihrer Mammut-Zeit schon mit diesen Themen zu tun?
Ich war davor bei Migros, dem größten Schweizer Einzelhandelsunternehmen, als Einkäufer in der Herrenkonfektion tätig. Dort war ich schon mit der Frage der sozialen Arbeitsbedingungen in der Lieferkette konfrontiert, auch mit ökologischen Themen, habe mich mit NGOs auseinandergesetzt und mit Konsumenten, die gerade bezüglich Arbeitsbedingungen damals schon kritische Fragen gestellt haben. Grundsätzlich habe ich einen Marketing-Hintergrund, habe einen Business-Abschluss am St. Galler Management Institut gemach, aber das Sustainability-Thema hat mich immer schon umgetrieben. Über viele Jahre meiner beruflichen Laufbahn habe ich das sozusagen als integralen Bestandteil meiner Aufgaben neben anderen Themen bearbeitet. Seit etwa vier Jahren ist es nun meine Kernaufgabe, der ich mich mit viel Leidenschaft widme.
Heute ist Nachhaltigkeit in aller Munde. Wie wurde das Thema vor 20 Jahren gesehen?
Man wurde teilweise nicht verstanden, wenn man über Nachhaltigkeit gesprochen hat. Der Begriff wurde in der breiten Öffentlichkeit und in den Medien überhaupt erstmals nach der UNO-Klimakonferenz in Rio 1992 verwendet. Was die Konsumenten damals am meisten beschäftigt hat, war das Thema soziale Arbeitsbedingungen in der Zulieferkette. Das hat auch damit zu tun, dass in der Zeit viele Produktionsstätten von Europa nach Asien verlagert wurden. NGOs wie „Clean Clothes Campaign“ haben die Entwicklung kritisch verfolgt oder Kampagnen gegen die Fashion-Industrie gefahren. Adidas oder Nike waren beispielsweise auch im Fokus.
Wie hat sich bei Mammut die Arbeit an den verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen entwickelt?
Wir haben zunächst das Thema faire Arbeitsbedingungen primär in den Fokus genommen und sind 2008 der Fair Wear Foundation beigetreten, die für einen hohen Standard diesbezüglich steht. Wir haben bei der EOG (European Outdoor Group, d. Red.) dafür geworben, das auch unsere Mitbewerber der FWF beitreten. Denn wir fanden von Anfang an, dass es keinen Sinn macht, dass jede Brand ihre eigene Suppe kocht, zumal wir teilweise in den gleichen Zulieferbetrieben sourcen. 2011 haben wir begonnen, hinsichtlich des Chemikalienmanagements mit Bluesign zusammenzuarbeiten und auch dafür geworben. Dann kamen weitere Themen wie der ECO-Index hinzu, aus dem später der Higg Index der SAC (Sustainable Apparel Coalition, d. Red.) wurde, der die Nachhaltigkeit in der Lierfekette in der Textilindustrie bewertet und der heute sehr viel Zuspruch hat.
Sind Sie zufrieden damit, welchen Stellenwert das Thema heute hat?
Auf jeden Fall. Seit einigen Jahren ist Nachhaltigkeit allgegenwärtig, nicht nur in der Outdoor-Branche: Es ist auch auf strategischer Ebene und in den Führungsetagen angekommen. Ich bin bei Mammut auch Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung und vertrete dieses Thema auch direkt gegenüber unserem CEO Oliver Pabst. Es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Früher wurde das Thema vorwiegend im Lichte des Risiko-Managements gesehen. Gerade die Outdoor-Industrie – und auch Mammut – war wegen ihrer Natur-Affinität immer wieder mal Kampagnen-Ziel von NGOs wie Greenpeace, Vier Pfoten oder anderen. Die Unternehmen hatten deswegen in puncto Nachhaltigkeit zunächst oft vor allem im Blick, sich möglichst nicht angreifbar zu machen.
Und heute?
Heute geht die Branche das viel proaktiver an. Nachhaltigkeit ist inzwischen ein wichtiger Innovationstreiber geworden. Auch für Investoren hat das Thema eine hohe Relevanz. Der Wert eines Unternehmens wird auch stark dadurch bestimmt, wie zukunftsfähig es in Sachen Environment, Social and Governance aufgestellt ist.
Sind die Konsumenten und die „Outdoor-Community“ auch so weit, wie es aus Ihrer Sicht wünschenswert ist?
Beispiele wie unsere Seil-Recycling-Projekt „Close the Loop“ zeigen, dass die Outdoor-Community sehr nachhaltigkeitsaffin ist. Als Marke bekommt man zwar kein Extra-Lob, wenn man nachhaltig ist, aber wer heute nicht dem Anspruch an Nachhaltigkeit genügt, der wird abgestraft, weil zunehmend mehr Kunden Produkte bevorzugen, die das ihrer Wahrnehmung nach als integratives Qualitätsmerkmal anbieten und leisten.
Dann kommen wir dazu, was Mammut auf dem Feld aktuell tut. Die FWF hatten Sie schon erwähnt …
Ja, das ist für uns ein wichtiges Thema. Die FWF macht systematisch Prozess-Audits mit uns, so dass wir, wenn nötig, Veränderungen beispielsweise in den Produktionsstätten umsetzen können. Wir haben vier Mal den Leader-Status der FWF erhalten, zuletzt gab es Covid-bedingt Schwankungen in der Lieferkette. Aber wir wollen uns grundsätzlich da stetig verbessern.
Uns alle treibt der Klimaschutz um. Was sind bezüglich der CO2-Emissionen die Ziele von Mammut?
Wir sind da sehr ehrgeizig. In den drei durch den GHG–Standard (GHG = Greenhouse Gas Protocol, gängiger internationaler Standard zur Bilanzierung von Treibhaus-gasemissionen, d. Red.) festgelegten Scopes wollen wir bis 2030 in Scope 1 und 2 die Emissionen um 80 Prozent reduzieren, in Scope 3 um 55 Prozent. Bis 2050 wollen wir Net Zero erreichen, also unsere Emissionen auf null bringen. Dass wir auf einem guten Weg sind, hat jetzt eine Untersuchung der US-NGO Stand.earth bestätigt. Da wurden 47 Brands aus Fashion, Sport und Outdoor daraufhin gecheckt, wie weit sie auf dem Weg zur Eliminierung fossiler Brennstoffe in Produktion und Lieferkette sind. Auf einer Skala von A bis F haben wir mit B- die beste Bewertung aller 47 Marken bekommen.