Marmot Europe hat Anfang des Jahres seinen Hauptsitz von Schwaig nach Hattersheim bei Frankfurt verlegt. outdoor.markt hat bei Geschäftsführer Jan Schapmann und dem neuen Senior Manager Brand Marketing & Communications, Melf Sönnichsen, nachgefragt, wie sich die Veränderungen für die Europa-Vertretung der aus den USA stammenden Bergsportmarke bemerkbar machen – und wo der Weg für die Marke hinführen soll.
outdoor.markt: Herr Schapmann, wie hat sich der Umzug und die Integration von Marmot Europe in die Outdoor-Division von Newell Brands bisher ausgewirkt?
Jan Schapmann: Wir stellen die erhofften Synergieeffekte durch bestehende Strukturen und Prozesse eines Konzerns fest und dass wir mit den Schwestermarken Coleman oder Campingaz eine schlagkräftige Einheit sind. Natürlich gab es auch die erwartete Fluktuation an Mitarbeitern, welche wir mit Neuverpflichtungen aber mehr als kompensieren konnten: zuletzt konnten wir mit Christian Böhm einen erfahrenen Supply Chain Manager für das Europa-Geschäft gewinnen sowie mit Melf Sönnichsen einen Experten für unser Brand Marketing. So haben wir nun wieder ein Team, mit dem es viel Spaß macht, gemeinsam mit unseren Geschäftspartnern richtig Gas zu geben.
Solche Integrationen führen ja oft zu einer Umkehr für die Deutungshoheit der Marke. Herr Sönnichsen, wie stellt sich das für Sie als „Neuer“ bei Marmot dar: Behält die Marke ihre Eigenständigkeit, oder muss man sich globalen Vorgaben eines Großkonzerns beugen?
Melf Sönnichsen: Marmot wird weiterhin als eigenständige Marke agieren können, und wir haben weitreichende Freiheiten, welche wir in Abstimmung mit unserem globalen Team auch nutzen werden. Die Marke besitzt unter Bergsteigern, Freeskiern und Alpinisten geradezu einen Kultstatus, und diesen werden wir kontinuierlich untermauern sowie dem Zeitgeist entsprechend neu inszenieren. Wir sind in der neuen Struktur die sportliche Speerspitze eines Outdoor-Schwergewichts, bei dem wir mit unseren Themen wie Saisonalität, trendiger Lifestyle und Nachhaltigkeit schon jetzt die Organisation befruchten konnten.
Wofür steht denn Marmot eigentlich, wo wollen Sie mit der Marke hin?
Sönnichsen: Für alle Brands ist diese Frage eine wiederkehrende Herausforderung. Viele Marktteilnehmer haben während der Wachstumsjahre Opportunitäten aufgegriffen und dadurch etwas den Kompass verloren. Für Marmot ist dies nicht anders, aber wie sagt man so schön: „Während der Ebbe sieht man, wer ohne Badehose schwimmt“. Wir haben glücklicherweise eine recht klare DNA als Bergsport-Spezialist, der hoch oben am Berg agiert und damit seit Anbeginn zu 100 Prozent authentisch ist. Unsere Gründer waren begeisterte Bergsteiger und haben sich in den 70ern schlicht die Produkte selbst gebaut, weil der Markt nichts Adäquates hergab. Diese Einzigartigkeit und unsere klaren Stärken in den Segmenten Shells und Isolation inklusive Schlafsäcke werden wir künftig wieder verstärkt in den Vordergrund rücken. Marmot steht für hochtechnische Textilprodukte, mit denen intensive Momente im Bergsport erlebt werden. Untermauert wird dies auch künftig durch glaubwürdige Botschafter wie Stefan Glowacz, Robert Jasper oder den Verband österreichischer Bergführer. Hinzu kommt, dass wir die Wahrnehmung der Marke auch durch unsere Produkt- und Vertriebsstrategie künftig anheben wollen. Mit der angesprochenen Fokussierung auf gewisse Pro- duktkategorien verzichten wir bewusst auf zum Teil volumige Einsteigerbereiche oder verlockende Preispunkte im unteren Segment. Wir nennen es intern „Back to our Routes“, und unsere Innovationskraft wird hierbei entscheidend sein. Die bereits auf der ISPO 2019 preisgekrönte „Warmcube“-Technologie dient hierbei uns und unseren Vertriebspartnern als Schlüssel, um Marmot fortan wieder dort zu positionieren, wo wir eigentlich herkommen.
Über welche Distributionswege möchten Sie in den kommenden Jahren verkaufen?
Schapmann: Der stationäre Fachhandel ist und bleibt der Nukleus unserer Vertriebsstrategie! Für Marmot als Anbieter hochwertiger und erklärungsbedürftiger Produkte führt aus unserer Sicht kein Weg an der Expertise derjenigen vorbei, die sich jeden Tag mit den Wünschen und Sorgen der Konsumenten beschäftigen: den Verkaufsberatern auf der Fläche.
Trotzdem, Hand aufs Herz: Plant Marmot ebenfalls einen eigenen Online-Shop? Sogar Deuter hat zuletzt einen eröffnet …
Sönnichsen: Im Gegensatz zu unseren US-Kollegen planen wir keinen eigenen Webshop für Europa. Wir möchten ein treuer Partner sein für unsere Kunden, denen wir stets auf Augenhöhe begegnen. Die Emanzipation digitaler Kommunikations- und Vertriebswege bestätigen gleichwohl auch wir. Wir arbeiten mit sehr starken E-Tailern zusammen, die einen Top-Job machen. Sie verstehen es, hochwertige Produkte adäquat zu inszenieren, und sind näher am Konsumenten, als wir es auf absehbare Zeit sein können. Sofern ein Online-Händler seine Aufgaben also gut macht, sind wir auch hierfür offen.
Und wie sieht es mit Amazon aus?
Schapmann: Amazon ist einer dieser Online-Kunden für uns – wenn auch ein spezieller (lacht). Wir kooperieren auf europäischer Ebene zusammen, gehen dabei allerdings sehr selektiv vor. Wir sind der begründeten Auffassung, dass sich nur ausgewählte Produktkategorien unseres Portfolios über Plattformen dieser Art verkaufen lassen. Ab einem gewissen Punkt kommt man ohne eine stationäre Präsenz und geschulte Produktberater nicht mehr aus.
Bild: Melf Sönnichsen