Winterbekleidung: Chancen und Risiken

21. Oktober 2019

Die Winterjacke ist immer noch ein Kernartikel im Outdoor-Segment, doch die Unsicherheit im Geschäft mit Bekleidung für die kalte Jahreszeit ist gewachsen. Der Handel ist vorsichtig, die Hersteller suchen Lösungen, der Kunde weiß, was er will: neben funktionalen vor allem nachhaltig produzierte und ausgestattete Produkte.     

Schneelose Winter gab es immer schon genauso wie kalte Sommer“ – so hat es laut Patrick Schmollinger, Country Manager Deutschland von Outdoor- und Skibekleidungshersteller Schöffel, der 2018 verstorbene Senior-Chef der Firma, Hubert Schöffel, mal formuliert. Da hat er sicher Recht, aber dennoch: Die zunehmende „Unzuverlässigkeit“ des Winters setzt dem Handel wie den Herstellern in Sachen Winterware durchaus zu. Das zeigt sich bei der Winterjacke, einem sehr wichtigen Segment im Bekleidungsbereich: „Winterjacken sind nach wie vor ein entscheidender Umsatzträger im Outdoor-Business. Dafür sorgt allein schon der verhältnismäßig hohe Warenwert dieser Produktgruppe“, sagt Wolfgang Jahn, Sales Director Europe von Sherpa Adventure Gear. Da sie, wie Oliver Walker, Category Manager Outdoor bei Intersport, sagt, „im höheren Preissegment verankert“ ist, gehört sie „zu den Kernartikeln, um die unsere Händler ihr Sortiment entsprechend aufbauen können.“ Doch laut Walker sind „die Verkäufe und Umsätze stark wetterabhängig. Gute Absätze machen unsere Händler, wenn es bereits im September/Oktober kalt wird. Bei einem späten Winter, so wie im vergangenen Jahr, geht der Verkauf dann erst richtig los, wenn die Artikel bereits wieder reduziert sind.“ Angesichts dessen wohl kein Wunder, dass, so Schöffel-Manager Schmollinger, „die Branche nervös auf Witterungen reagiert und der Handel eher vorsichtiger als mutiger einkauft.“ Und Lothar Baisch, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing bei Maier Sports, findet „es absolut nachvollziehbar, wenn der Handel bei der Vororder entsprechend vorsichtig agiert und versucht, sein Risiko zu minimieren“.

Die beiden deutschen Marken setzen unterschiedliche Schwerpunkte in dem Umgang mit dieser Situation. Maier Sports, Spezialist vor allem im Bereich Outdoor-Hosen, trifft laut Baisch mit seinem „breiten NOS-Programm (NOS = Never out of stock, d. Red.) diesen Trend unserer Partner in einem besonderen Maß. Wir kommen damit einerseits dem Sicherheitsbedürfnis im Fachhandel ein gutes Stück entgegen, andererseits können die Händler damit die Passform-Karte (Maier Sports bietet eine besonders breite Palette an Passformen an, d. Red.) perfekt spielen. Wir bieten in unserem NOS-Programm 12-Monats-Outdoor-Hosen sowie spezielle Winter-Outdoor-Hosen von Softshell bis hin zu gefütterten wattierten Outdoor-Hosen.“ Schöffel-Manager Schmolligner betont: „Unsere Aufgabe ist es, attraktive und funktionale Kollektionen zu kreieren, die eine gewisse Wetterunabhängigkeit mit sich bringen. Zum Beispiel durch Schichten-Outfits oder über eine hohe Funktionalität.“

Die gute Nachricht so oder so für alle: Outdoor im Winter ist nicht nur beliebt, sondern entwickelt auch immer mehr Facetten. „In den letzten Jahren“, so Lothar Baisch von Maier Sports, sind viele neue Wintersport-Aktivitäten hinzugekommen, die auch am POS und in der medialen Wahrnehmung stärker in den Fokus rücken: Winterwandern, Schneeschuhlaufen, Skiwandern, Cross-Country, klassischer Langlauf, bis hin zum Pisten-Skitourengehen als After-Work-Training. Das Freizeitverhalten vieler Konsumenten hat sich stark in eine neue Richtung verschoben: heute Skifahren, morgen Winterwandern und übermorgen eine kleine Skitour.“ Oliver Walker von Intersport, sieht dieselbe Entwicklung und ergänzt noch: „Ein weiterer Trend sind Wintercamps, die es mittlerweile in vielen Skigebieten gibt. Dort werden dann unter anderem Iglus gebaut. Das greift im weitesten Sinn den Glamping-Trend aus dem Sommer auf.“

Mode und Funktion

Aus dieser Vielfalt an Aktivitäten ergibt sich auch der Anspruch der Verbraucher an Winterbekleidung. „Multifunktion ist ein wichtiges Thema“, sagt Patrick Müller aus der Produktentwicklung von Schöffel. Walker von Intersport führt aus: „Outdoor-Bekleidung nähert sich immer mehr an die Mode an. Das heißt konkret: Modische Kleidung verfügt inzwischen über immer mehr Funktionen; bei der Outdoor-Bekleidung wird mehr Wert auf coole Designs gelegt. Outdoor-Kunden ist die Optik von Funktionsbekleidung besonders wichtig.“ Bei Schöffel zeigen sich beide Seiten der Medaille in der Kollektion für Winter 2019/20: „Die W20-Kollektion zeigt insgesamt eine neue Sportivität und wurde ganz nach den Kundenbedürfnissen noch funktionaler gestaltet. Gleichzeitig treiben wir das Thema Style im erweiterten Segment Outleisure voran, das unterschiedliche Stilrichtungen in eigenen Kapseln präsentiert“, erläutert Schmollinger.

Doch gehen wir in puncto Materialien, Technologien und Funktion noch mehr ins Detail. Schöffel stellt „eine Verschiebung weg von hohen Wattierungsgewichten hin zu leichter wattierten Jacken oder auch ungefütterten Übergangs-Jacken fest. Daher differenzieren wir verstärkt- bei Wattierungsgewichten und Jackenlängen“, erläutert Patrick Müller aus der Produktentwicklung. Schmollinger hebt zudem den „Outfitgedanken“ hervor, der auf den Flächen präsentiert und vorangetrieben werden sollte.

Maier-Sports-Geschäftsführer Baisch konstatiert als einen wichtigen Faktor „das Wärme-Gewichts-Verhältnis der Jacken. In diesem Zusammenhang spielen auch die Themen Isolationsvermögen in feuchtem Zustand und Pflegeleichtigkeit für einen möglichst einfachen und unkomplizierten Umgang im Alltag eine Rolle.“

Die britische Marke Rab präsentierte auf der ISPO Munich 2019 Rab erstmals Jacken mit Gore-Tex-Membran. Dazu zählen wasser- und windabweisende Daunenjacken der „Infinity“-Linie, die vor allem für Abenteuer in eisigen Höhen am Berg konzipiert sind. Für „normalere“ Outdoor-Unternehmungen im Herbst oder Winter wurde die „Kangri GTX“-Jacke entwickelt. Die robuste, dreilagige wasserfeste Jacke aus 70D Gore-Tex eignet sich für winterliche Touren wie verregnete Bergwanderungen.

Berghaus, ebenfalls aus Großbritannien, bringt für Herbst/Winter 2019 eine Reihe technologischer Weiterentwicklungen  bei Daune & Isolation sowie im Shell-Bereich heraus. Interessant etwa die „Hydroloft Polyball“-Isolationstechnologie, die als „vegane Alternative zu Daune“ beschrieben wird, bei den damit gefüllten Jacken sei „auf den ersten Blick kaum ein Unterschied (zu natürlichen Daunen) erkennbar“. 

Recycling und PFC-Freiheit

„Vegan“ ist ein echtes Signalwort in der heutigen Zeit. Denn immer mehr Verbraucher legen auf Ökologie und Tierschutz großen Wert. Ob Hersteller oder Händler, beide Seiten wissen, dass Nachhaltigkeit inzwischen ein wichtiges Kriterium geworden ist, das für Winterbekleidung genauso gilt wie für andere Segmente. Intersport-Manager Walker sagt: „Es gibt unter anderem recycelte Daunen und Wattierungen, nachwachsende oder recycelte Garne für Midlayer und PFC-freie Imprägnierungen. Die gesamte Textilkollektion unserer Exklusivmarke McKinley ist PFC-frei. Zudem gibt es warme McKinley-Winterjacken mit recycelter Wattierung.“ Damit sind auch zwei der wichtigsten Stichworte beim Thema Nachhaltigkeit genannt: PFC beziehungsweise PFC-Freiheit und Recycling. Lothar Baisch nimmt für Maier Sports in Anspruch, bei PFC ein „Innovationstreiber“ zu sein: „Ein ganz zentraler Aspekt ist die PFC–freie Ausrüstung, die im Zusammenhang mit dem allgegenwärtigen Top-Thema Nachhaltigkeit stark an Bedeutung gewonnen hat. Maier Sports ist es hier als Innovationstreiber gelungen, sich früh als glaubwürdiger und überzeugender Anbieter zu positionieren, wovon wir spürbar profitieren.“

Bei Schöffel prüft man  „vor allem Weiterentwicklungen im Bereich Recycling für einen Einsatz in der Kollektion“, erläutert Produktentwickler Müller. „Diese müssen unsere hohen Qualitäts-Anforderungen erfüllen. Im Bereich Softshell sehen wir überzeugende Weiterentwicklungen in Bezug auf ‚Super Stretch‘ und ‚Light‘.“

Membran aus Recycling-Material

Das Angebot an recycelten und PFC-freien Produkten nimmt auch bei Winterbekleidung zu. Jack Wolfskin launchte schon für den vergangenen Winter eine Wintersport„Ecosphere“-Kollektion, die vom Oberstoff über die „Texapore“-Membran bis zum Futter komplett aus recycelten Materialien gefertigt ist, auch bei den Wattierungs- und Fleece-Produkten. Für kommende Wintersaison bringen die Idsteiner mit der Alpinschule Innsbruck entwickelte neue Modelle ihrer Mountaineering- und Wanderlinie heraus, die wie die gesamte Kollektion komplett PFC-frei sind.   

Der Outdoor-Ausrüster Vaude vom Bodensee setzt bei der neuen Version der warmen „Miskanti Softshell Jacket II“ die „Ceplex Green“-Membran  ein, die zu 50 Prozent aus aufbereitetem Recycling-Material besteht, vorwiegend gewonnen aus alten PET-Flaschen. Die wasserabweisende „Eco Finish“-Imprägnierung ist zu 100 Prozent PFC-frei, wie -übrigens bei der kompletten Vaude–Bekleidung.                

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