Smart Textiles sollen auch im Outdoor-Bereich Bekleidung in eine neue Dimension führen. Eingearbeitete Elektronik und die Verbindung mit dem Smartphone eröffnen neue Möglichkeiten für die Funktionalität und deren Steuerung durch den Nutzer. Nun geht es darum, die Ideen und Entwicklungen massentauglich zu machen.
Smart, also etwas frei übersetzt „intelligent“, ist im Grunde ihrem Anspruch nach jede Funktionsbekleidung. Im Optimalfall sorgt sie durch ihre Beschaffenheit dafür, dass ihr Träger nicht oder kaum schwitzt, andererseits aber auch hinreichend gewärmt und vor Nässe geschützt ist. Moderne Membrane, in gewissem Sinne eine Art intelligente Plastiktüte, und Isolierungsfasern bieten diesbezüglich schon ein sehr hohes Niveau, doch Tüftler sowohl in großen Konzernen als auch in kleinen Start-ups arbeiten an Produkten und Technologien von höherer Intelligenz, die dies auch als eine Art Genre-Bezeichnung im Namen tragen: Smart Textiles. Laut einer vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Expertise des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung von 2018 sind Smart Textiles Textilien, „die Funktionen übernehmen, die vormals nicht textil waren. Sie können zum Beispiel Informationen erfassen und transportieren, leuchten, heizen, Wunden heilen und Vitalfunktionen überwachen.“ Elektronische Elemente wie Sensoren und die Kopplung von Kleidungsstücken ans Smartphone per App sollen beispielsweise eine noch effizientere Klimaregulation ermöglichen oder eine automatische Beleuchtung. Aber auch der sozusagen umgekehrte Effekt ist ein Thema: dass wir in Zukunft beispielsweise über unsere Kleidung unsere Handy aufladen und so auch unterwegs immer elektronisch versorgt sind.
Es wird an Lösungen gearbeitet, die eine Einarbeitung von elektronischen Elementen wie Sensoren zum Ziel haben – „Printed Electronics“ (aufgedruckte Elektronik) ist eines der Zauberwörter in diesem Zusammenhang. Die Verbindung des rein Stofflichen mit Elektronik oder dessen Erweiterung um die genannten und vielleicht noch weitere -Funktionen soll große Potenziale bergen – etwa in der Medizin, aber auch für Sport, Outdoor und Fashion.
Aktuell sind solche Bekleidungsprodukte noch eher Exoten auf dem Markt. Aber Experten erwarten, dass sich dies bald ändert. Jacquard by Google, ein Smart-Textiles-Projekt von Internetgigant Google, erwartet bis 2025, dass jeder Zehnte seine Kleidung mit dem Internet verbindet. Die erwähnte Expertise des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung sieht weltweit eine Zunahme des Marktvolumens von Smart Textiles von 1,3 Milliarden Euro 2017 auf fast fünf Milliarden Euro 2022. In Deutschland soll es in elf Jahren ein mögliches Umsatzwachstum von 4,2 Milliarden Euro in diesem Segment geben.
Lichtsensoren im Gewebe
Schon bald, hört man, könnten Smart Textiles aus der Nische herauskommen und in die Serienproduktion gehen – Probleme wie mangelnde Waschbarkeit und Knickbeständigkeit sollen nahezu überwunden sein. Einiges davon war etwa auf der letzten „Techtextile“ im Frühjahr in Frankfurt zu sehen. Lunative Laboratories, ein Technologiepionier für textile Leitfähigkeit aus Hamburg, 2017 mit dem „German Design Award“ ausgezeichnet, nutzt für seine neuartige „Luna Smart IoT“-Technologie in das Gewebe eingearbeitete Light-Komponenten (zehn Smart-Ambience-Sensoren, die ihre Impulse in 50 Lichtfasern abgeben). Sie sind aktiv per Benutzeroberfläche beziehungsweise Mobilgerät oder passiv beispielsweise durch Musik steuerbar.
Der türkische Hersteller Ariteks Boyacilik Ticaret ve Sanayi AS stellte Solarzellen vor, die auf Glasgewebe basieren. Sie sollen in beliebige Textilstrukturen laminiert werden können, der Benutzer soll sein Mobiltelefon über USB im Kleidungsstück aufladen können.
Eine der ersten großen Sport- und Outdoor-Marken, die ein eine Kollektion mit smarter Technologie herausbringen, ist Odlo. Mit „I-Thermic“ bringt der Sportwäsche-Spezialist aus der Schweiz für 2019/20 eine Midlayer-Serie mit intelligenter Wärmetechnologie auf den Markt. Nahtlos in das Kleidungsstück eingearbeitete intelligente Wärmesensoren analysieren und regulieren die Körperwärme. Der Nutzer kann die Heizelemente selbst über eine Smartphone-App steuern, also die bevorzugte Temperatur und andere Parameter eingeben. Betrieben wird dies mit einem wiederaufladbaren Akku. Gemäß dem Organic-Bodymapping-Konzept von Odlo sind die Heizelemente im Bauch- und Nierenbereich so positioniert, dass diese empfindlichen Partien ihre Wärme bewahren. Entwickelt wurde das preisgekrönte Produkt („CES Innovation Award“ 2019 und „ISPO Gold Award“) mit dem Hersteller MAS und dem französischen Software-Start-up Clim8.
Smart Textiles sind sowohl eine Chance für Newcomer-Firmen als auch ein Spielfeld für die großen Player. Zu diesen zählt die Schweizer Schoeller Textil AG, die innovativen Textilien und Textiltechnologien entwickelt und produziert und weltweit mit rund 500 Markenpartnern zusammenarbeitet. Zu ihren Kunden gehören viele Outdoor- und Sport-Brands, beispielsweise Gore Bike Wear, Craft oder CEP. Schoeller beschäftigt sich auch intensiv mit dem Thema Smart Textiles, arbeitet dabei eng mit Forschungsinstituten und spezifischen Arbeitsgruppen zusammen. 2017 gewann das Unternehmen den Schweizer Design-Preis für sein Produkt „E-Soft-Shell“, einem beheizbaren Stoff. Die Heiztechnologie ist in rautenförmiger Geometrie im gesamten Textil eingebettet. Sie basiert auf metallisierten Garnen und ermöglicht eine gleichmäßige Beheizbarkeit des Gewebes bei üblichen Spannungen. Das Material ist als Meterware konzipiert und unabhängig von der eingebetteten Technologie zuschneidbar. Es bietet sich vor allem für Bekleidung im Outdoor- und Motorradsport an.
Schweißtransport per Knopfdruck
Die 2018/19 gelaunchte Skijacke „7Sphere Hydro Bot“ der Marke Kjus basiert auf einer Zusammenarbeit von Schoeller mit dem Schweizer Technologieunternehmen Osmotex, das das Mehrlagenlaminat „Hydro Bot“ entwickelt hat. Laut Herstellerangabe pumpt die Membran den Schweiß elektroosmotisch an die Jacken-Außenseite, was innen für Trockenheit und wohlige Wärme sorgt. Die Membran ist von leitfähigem Gewebe umgeben und hat Milliarden Poren je Quadratmeter. Der Träger kann über ein kleines Gerät mit An-Aus-Taste und USB-Ladebuchse, dessen Akku 16 Stunden halten soll, per Tastendruck den Befehl geben, Feuchtigkeit nach außen zu befördern. Die Steuerung der Jacke ist mit einer App verbunden, so dass der Nutzer sich auf seinem Handy den Stand der Dinge in puncto Feuchtigkeit anzeigen lassen kann
DuPont Advanced Materials aus Großbritannien bietet mit „Intexar Heat“ eine mit jedem Stoff umsetzbare smarte Heiztechnologie mit Kohlenstoff- und Silbertinte. Bereits 2018 stattete das Modeunternehmen Ralph Lauren Jacken für das US-Team der Olympischen Winterspiele 2018 mit Intexar-Materialien aus.
Eine Reihe weiterer Unternehmen arbeitet im Bereich der Smart Textiles. Noch erreichen diese in der Regel nicht die breite Masse, Produkte wie die Kjus-Jacke taugen auch wegen ihres hohen Preises nicht dazu. Aber: „Nach unserer Erfahrung lohnen sich solche Projekte ganz besonders für Marketing-Kampagnen und zur Erschließung neuer Zielgruppen“, sagt Andreas Röpert von Interactive Wear, einem Münchener Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von Smart Textiles spezialisiert hat. „Das Medieninteresse an solchen Produkten ist enorm. Als Bekleidungsmarke erreicht man damit ganz andere Zielgruppen als mit den klassischen Kanälen.“
Bleibt abzuwarten, ob das Segment Einzug halten wird in den Alltag ganz normaler Outdoorer. Der Trend zeigt in diese Richtung.