Trotz hohen Preisdrucks und eines riesigen Produktangebots: Der Outdoorschuh-Sektor zeigt sich seit Jahren stabil. Auch aktuell berichten die Händler von einer positiven Umsatzentwicklung. Der klassische Wanderschuh ist die Basis, Lifestyle-Trend und Trailrunning-Boom sorgen für zusätzliche Bewegung – und locken neue Player in den Markt …
Auf Schuhe ist Verlass! Jedenfalls im Outdoor-Bereich. Dort bleiben sie laut den jüngsten Zahlen der von der European Outdoor Group (EOG) durchgeführten „State of Trade“-Studie die zweitwichtigste Warengruppe im europäischen Outdoor-Markt, bezogen auf den „Reinverkauf“ der Hersteller in den Handel. 1,69 Milliarden Euro setzten die Hersteller (115 gaben der EOG Auskunft) im Jahr 2018 in diesem Segment um, nur Bekleidung lag darüber (2,91 Mrd. Euro). Die Ergebnisse des „Branchen-fokus Schuhe 2019“ der IFH Köln und der BBE Handelsberatung unterstützen dies, insofern sie zeigen, dass der Bereich Sport- und Freizeitschuhe innerhalb der Schuhkategorie beim Verbraucher insgesamt am besten abschneidet. Vor allem Sneaker sind stark im Kommen –
zwei Milliarden Euro wurden 2018 in Deutschland mit Sneakern umgesetzt, fast doppelt so viel wie 2012.
Dabei hatte der Schuhmarkt insgesamt im Jahr 2018 ein leichtes Minus zu verzeichnen. Laut IFH haben sich auf der einen Seite die ungewöhnlichen Wetterverhältnisse des vergangenen Jahres auch auf den Schuhmarkt ausgewirkt, dazu kämen auf der anderen Seite Überangebot und Preiswettbewerb. Die deutschen Konsumenten kauften zwar insgesamt zahlenmäßig nicht oder kaum weniger Schuhe, aber zu niedrigeren Preisen.
Auch die EOG-Studie ermittelte für den Schuhbereich ein Minus, das mit 07, Prozent (Wert) beziehungsweise 0,9 Prozent (Stückzahl) sich mit dem Durchschnitt über alle ermittelten Outdoor-Kategorien deckt – und gering ausfällt, zumal wenn man bedenkt, dass im Jahr zuvor von der EOG eine Steigerung von über 13 Prozent ermittelt worden war. Und IFH und BBE hatten bei Wanderschuhen im Jahr 2017 ein Plus von über fünf Prozent bei Endverbraucher-Umsätzen festgestellt. Also, „in the long run“ sind Schuhe eine Bank. Das bestätigt auch Dachstein-Brand-Manager Christian Wolsegger im Interview mit dem outdoor.markt (siehe Seite 10/11): „Das ist ein nach wie vor sehr stabiler Markt mit leichtem Wachstum. Für die Händler bieten Schuhe im Großen und Ganzen ein stabiles Geschäftsfeld über zwölf Monate hinweg, das recht ertragstark ist.“
Erstes Halbjahr 2019 lief gut
Untermauert wird dies durch die positiven Zahlen von Deutschlands großen Sporthandelsverbünden. „Im Erlebnisbereich Outdoor nehmen Schuhe rund ein Drittel des Gesamtumsatzes ein“, sagt Marko Zitzelsberger, Division Manager Strategischer Einkauf bei Intersport Deutschland, den hohen Stellenwert des Segments. „Seit einigen Jahren verzeichnen wir eine deutlich positive Entwicklung bei Outdoor-Schuhen. Im ersten Halbjahr 2019 konnten unsere Händler im Intersport-Verbund mit einem Umsatzwachstum von plus zehn Prozent in diesem Bereich zulegen.“ Sport 2000 verzeichnete für die Outdoor-Warengruppe Schuhe mit plus 9,3 Prozent im ersten Halbjahr 2020 einen enormen Zuwachs. Auch bei SportScheck heißt es, dass „Outdoor-Schuhe sich sehr positiv entwickeln, sowohl in den Stückzahlen als auch im Gesamtumsatz.“ Man habe in den letzten Monaten zweistellig zum Vorjahr zugelegt und die Anteile der Schuhe auf circa 25 Prozent des Gesamt-Outdoor-Umsatzes gesteigert. Und Globetrotter verzeichnet laut PR-Managerin Miriam Blume „einen hohen Absatz sowie Umsatz“ und sei mit dem „Status des Markts zufrieden“.
Neue Player mischen mit
Die Attraktivität des Outdoor-Schuhsegments und seine Verbreiterung durch die Integration von Mode- und Lifestyletrends und -Elementen sowie den Trailrunning-Boom rufen auch immer mehr Hersteller auf den Plan. Black Diamond etwa bringt nach dem ersten Kletterschuh im vergangenen Jahr für den kommenden Sommer erstmals unter der neuen Kategorie „Performance Footwear“ Zustiegsschuhe heraus, die zugleich lifestylig daherkommen und auch für den Alltag tauglich sein sollen. Anderes Beispiel: Die Schweizer Running-Marke On hat in diesem Sommer ihren ersten Wanderschuh vorgestellt.
Dass neue Player auftauchen, macht die Geschäfte nicht leichter: „Der Markt ist voll mit Ware“, sagt Alexander Nicolai, CEO von Deutschlands Top-Schuhhersteller Lowa. Andere erschwerende Faktoren kommen hinzu: „Die Situation in der Produktion und Beschaffung in Europa wird ebenfalls schwieriger, aufgrund steigender Material- und Lohnkosten mussten wir leider im Jahr 2018 Preiserhöhungen realisieren, die natürlich zu einem Umsatzanstieg über alle Länder hinweg führten“, so Nicolai. Mehr und mehr Firmen verlagern die Produktion wieder zurück nach Europa, deshalb sei das Thema Lieferkette eine Herausforderung für die Zukunft.
Lowa und Meindl weiter führend
Lowa setzt aber mit einem Umsatzplus von 4,5 Prozent über alle Länder hinweg im Jahr 2018 und 2,87 Millionen verkauften Paar Schuhen (2017: 2,7 Mio.) seinen stetigen Wachstumskurs fort. Die Jetzendorfer bleiben eine der führenden Größen speziell auf dem deutschen Markt, ebenso wie der Traditionsschuster Meindl aus dem oberbayrischen Kirchanschöring. Im Lieferantenranking von Intersport – über alle Produktkategorien hinweg – sind Lowa (1.) und Meindl (3.) weit vorne platziert. Beide Hersteller stehen nach wie vor in erster Linie für qualitativ hochwertige Wander- und Bergschuhe, haben aber auch die Trends Urban Outdoor, Lifestyle und Multifunktionalität aufgegriffen. Ein besonders gutes Wachstum erzielt Lowa in seinen „All Terrain“-Kategorien („Classic“ und „Sport“), die multifunktionale Modelle bieten. Weil man mit diesen bisher primär Kunden ab 30 Jahren erreiche, hat Lowa nun ein Modell entwickelt, das auch eine jüngere Zielgruppe ansprechen soll, deren Lebensstil durch ein „Sowohl als auch“ in vielen Bereichen geprägt sei: So wie die Vertreter dieser Generation beispielsweise Familie UND Karriere oder Genuss UND Gesundheit verwirklichen wollen, wollen sie mit ihren Schuhen Outdoor und Casual verbinden, Sneaker und Wanderschuh. Für diese Zielgruppe präsentiert Lowa für 2020 den „Revolt“, einen multifunktionalen Outdoor-Schuh im Sneaker-Design. Für Lowa eine Art Experiment, das offen für eine Weiterentwicklung ist.
Auf dieses „Sowohl als auch“ muss auch der Handel sein Sortiment ausrichten. „Multifunktionsschuhe nehmen bei uns einen hohen Stellenwert ein“, sagt Globetrotter-PR-Managerin Blume. „Die wachsende Beliebtheit dieses Segments führen wir auf die verschiedenen Ansprüche zurück, die unsere Kunden an einen Schuh haben. Er sollte nicht nur genügend Grip für unbefestigtes Gelände haben, sondern zudem leicht sein und sich auch für die Stadt eignen.“ Welche Kategorien von Outdoor-Schuhen am besten laufen, sei auch „eine Frage der Saison. Zurzeit haben wir einen absoluten Peak für klassische Wanderstiefel, jetzt gehen die Leute wirklich in die Berge.“ Und Marko Zitzelsberger von Intersport verweist darauf, dass auch der Standort des Geschäfts mit ausschlaggebend sei: „In den typischen Wanderregionen werden vor allem klassische Wanderschuhe nachgefragt. Je höher die Berge in der Umgebung sind, desto größer ist der Anteil der alpinen Outdoor-Schuhe. In städtischen Regionen sind zusätzlich vermehrt Outdoor-Schuhe aus dem Freizeitbereich gefragt, die einen urbanen Charakter haben.“
Leichtigkeit, Komfort, Passform
Für welchen Einsatzzweck auch immer: Es gibt einige Kriterien, die übergreifend für die Verbraucher entscheidend sind. Zitzelsberger: „Leichtigkeit in Kombination mit Stabilität ist eines der entscheidenden Themen bei Outdoor-Schuhen. Zudem zeichnet sich ein guter Schuh durch einen guten Tragekomfort aus.“ Miriam Blume von Globetrotter bestätigt und ergänzt: „Vor allem Halbschuhe, die leicht und vielseitig einsetzbar sind, gehören zu den wichtigen Entwicklungen. Dazu kommen noch der Sohlengrip, ein gutes Abrollverhalten, weniger Gewicht und eine schlanke Form.“ In puncto Komfort und Passform stellt technologisch die individuelle Anpassung von Schuhen die interessanteste Neuentwicklung der letzten Jahre dar: „Tecnica mit der ‚Forge‘-Reihe ist hier sicher als -Vorreiter zu nennen“, sagt Intersport-Manager Zitzelsberger (siehe auch Seite 7).
Trotz des Urban-Trends sind klassische Bergstiefel nach wie vor wichtig für jedes Outdoorschuh-Sortiment. Stefan Müller, Verkaufsleiter bei Traditionsschuster Meindl, stellt fest: „Die Klassiker wie der ‚Island‘ laufen sehr stabil.“ Daneben sieht man aber auch bei Meindl einen Trend zu „sportiveren, leichteren, dynamischen Schuhen.“ Insgesamt sei man mit der Geschäftsentwicklung sehr zufrieden. Auf der Messe „Outdoor by ISPO“ überraschte der bayrische Hersteller übrigens mit den Barfußschuh-Modellen „Pure“ und dem zusammenrollbaren „Pure Freedom“, der mit seinem flexiblen Stretchschaft das Gefühl des Barfußgehens vermittelt, zugleich durch die rutschfeste Vibram-Sohle und das Schnürsystem guten Halt gibt. „Die Grundidee“, so Müller „war, einen Schuh zu bieten, in dem der Fuß sich erholen kann. Eine Art Hüttenschuh, den man bei der Einkehr während oder nach einer Wanderung im Gebirge überzieht. Wir stellen fest, dass viele ihre eigene Idee haben, wie sie den Schuh einsetzen können, ob beim Wassersport oder auf dem Nachhause-Weg, wenn man etwa vorher stundenlang getanzt hat.“ Der Schuh komme bei den Händlern schon sehr gut an.
Auswirkungen auf den klassischen Outdoor-Bereich hat auch das boomende Segment Trailrunning. Bei SportScheck macht man die Erfahrung, dass Trailrunning-Schuhe immer häufiger wegen der Sohlenbeschaffenheit und Leichtigkeit für Wanderungen verwendet werden. Neue Modelle wie der „Cloudrock“ von On oder neue Marken wie HokaOneOne kämen auch bei Outdoorern gut an.
Recycling kommt allmählich
Neben den beschriebenen Aspekten sind inzwischen auch „Nachhaltigkeit und soziale Produktionsbedingungen für viele Kunden entscheidend“, sagt Intersport-Manager Zitzelsberger. Allerdings ist dies gerade bei funktionellen Schuhen fürs Wandern und die Berge ein komplexes Thema: „Der Konsument verlangt wasserdichte Schuhe, rutschfeste Sohlen, eine gewisse Langlebigkeit, dass Nähte gut vernäht sind, dass der Kleber hält. Das alles, muss man ganz ehrlich feststellen, kann nicht immer mit zu 100 Prozent nachhaltigen Materialien umgesetzt werden“, erklärt Dachstein-Manager Christian Wolsegger. Dennoch gibt es hinsichtlich des Materials einige Ansätze und Recycling-Vorzeigeprojekte. Dachstein bietet Schuhe mit Econyl, das aus alten Fischernetzen hergestellt wird. Adidas mit der „Parley“-Kollektion aus recyceltem Plastik ist ebenfalls ein bekanntes Bespiel. „Auch bei unserer Exklusivmarke McKinley kommen viele recycelte Materialien unter anderem bei Schnürsenkeln und Einlegesohlen zum Einsatz“, sagt Marko Zitzelsberger von Intersport.
In der Studie „Schuhkonstruktion 4.0“, vorgestellt auf der ISPO 2019, zeigte Membranspezialist Sympatex, wie in kurzer Zeit ein wasserdichter Schuh aus recycelten Materialien entstehen kann, der mit wenig Aufwand wieder in seine Rohstoffe zerlegt werden kann. Sympatex selbst liefert recycelte und recycelbare Materialien. Vaude etwa verwendet für den Wanderstiefel „TRK Skarvan Mid STX“ die zu 100 Prozent recycelte, klimaneutrale Sympatex-Membran und zu 100 Prozent recycelte Sympatex-Futterstoffe. Die Entwicklung wird weiter in diese Richtung gehen. Auch im Bereich der Pflegemittel für Schuhe tut sich viel. Lowa beispielsweise hat seine Pflegemittelserie komplett überarbeitet, so dass nun alle Produkte PFC-frei sind.
Für den Handel sind Outdoor-Schuhe eine dankbare Kategorie. „Da kann er vor allem durch eine gute Beratung und einen individuellen Service punkten. Es handelt sich um beratungsintensive Produkte“, sagt Marko Zitzelsberger von Intersport. Miriam Blume von Globetrotter kann folgende Erfahrung ergänzen: „Oftmals eignen sich unsere Kunden vorher selber ein Grundwissen über die verschiedenen Kategorien an. Bei ihrem Besuch in den Filialen geht es dann um den Feinschliff, Tipps und Tricks und die richtige Beratung, damit die Kunden langfristig von ihrer Wahl profitieren.“ Bei SportScheck heißt es zudem, neue und überraschende Sortimente sowie eine inspirierende Darstellung seien wichtig, Online spielten die Qualität der Bilder und Texte sowie eine gute Verfügbarkeit eine wichtige Rolle.