Camping ist eine wichtige Säule des Outdoor-Markts. Doch wie stellt sich das Segment angesichts eines sich wandelnden Reiseverhaltens dar, wie wirken sich Phänomene wie Caravaning und Glamping aus? Und mit welchen Maßnahmen können Händler bei Camping punkten? outdoor.markt hat bei Herstellern und Händlern nachgefragt.
2017: Zelte rund zehn Prozent im Minus. 2018: Schlafsäcke circa fünf Prozent im Minus. Das sind die nackten Zahlen, die die European Outdoor Group (EOG) in diesem und im vergangenen Jahr mit ihrer „State of Trade“-Befragung ermittelte. Die zwei Kern-Produktkategorien des Camping-Segments gehörten demnach zuletzt zu den Verlierern auf dem Outdoor-Markt, was die Umsätze betrifft (siehe auch Seite 20). Der Einbruch bei den Zelten wurde mit dem Effekt einer wetterbedingt teilweise schlechten Frühjahr-/Sommersaison in Großbritannien 2017 erklärt, also als mehr oder weniger singuläre Entwicklung. Was die Schlafsäcke betrifft, nennt Pauline Shepherd, Marktforschungs-Chefin der EOG, eine andere Ursache: „Dieser Bereich hat mit den Billigangeboten von Discountern und Supermärkten zu kämpfen, die von uns nicht erfasst werden.“ Dass der Markt für Camping-Artikel hart umkämpft ist, sagen auch die vom outdoor.markt befragten Hersteller und Händler. Kai Vogt, Head of Innovation bei Vaude, wo „Camping und gelegentliche, einfache Mehrtagestouren“ rund die Hälfte des Sortiments ausmachen, konstatiert: „Das Segment ist sehr hart umkämpft und stark preissensitiv. Ein hoher Marktanteil wird über Discounter abgedeckt.“ Und Jessica Lange, Hartwaren-Einkäuferin bei der Unterwegs-Handelsgruppe, beobachtet, dass „das Angebot am Markt größer geworden ist, da auch viele Discounter, diverse Onlinehändler, aber auch die Hersteller selbst mitmischen“. Ins gleiche Horn stößt Andreas Weingarten, Geschäftsführer von Relags: „Der Wettbewerb ist härter geworden und die Aufgabe für uns als Großhändler, Distributor und Hersteller vielfältiger. Planung, Auswahl, Import, Marketing, Vertrieb und Aftersales sind aufwändiger und einem steten Preisdruck ausgesetzt.“
Grundsätzlich ist die Nachfrage nach Camping-Artikeln weiter hoch. Die Lust auf Reisen in engem Kontakt mit der Natur ist vielleicht größer denn je. Globetrotter-Produktmanager Carl Jahn führt aus: „Durch schnelle Erreichbarkeit vieler spannender Orte, die touristisch noch weniger ‚abgegrast‘ sind, und das wachsende Bewusstsein für den hohen CO2-Ausstoß bei Flugreisen erfreut sich das Campen immer größerer Beliebtheit. Außerdem ist Campen deutlich flexibler und benötigt weniger Vorbereitung, ist schneller umsetzbar und hat den größeren Erlebnisfaktor.“ Zudem ist „das Thema über alle Altersgruppen seit mehreren Jahren vertreten und wird es auch bleiben“, stellt Oliver Walker, Category Manager Outdoor Intersport Deutschland, fest.
Camping ist heute mehr als Zelten
Verschiedene Entwicklungen beflügeln den Camping-Trend. Caravans und Reisemobile finden in den letzten Jahren reißenden Absatz, 2017 wurden laut Caravaning Industrie Verband Deutschland (CIVD) mit über 63.000 Reisemobilen und Caravans mehr Freizeitfahrzeuge in Deutschland neu zugelassen als je zuvor. Der Umsatz lag 2018 bei 11,2 Milliarden Euro – plus 9,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Tendenz weiter steigend. Dieses Phänomen ist von hoher Bedeutung für Camping-Hersteller und -Händler, denn, so Jahn: „Der Bereich ‚Camping‘ geht inzwischen weit über das reine Zelten hinaus, auch Bulli- und Bustouren und Caravaning sind inzwischen sehr präsente Themen, auf die auch das Zubehör zugeschnitten wird.“
In seiner modernsten Form ist der Komfortaspekt beim Camping im Phänomen „Glamping“, im Wortsinne die Verbindung von „Luxus“ („Glamour“) und Camping, vertreten. Die dänische Marke Nordisk setzt stark auf dieses Segment, wurde kürzlich für sein „Midgard Concept“ auf der „Outdoor by ISPO“ prämiert und bietet mehrere Glamping-Villages in Europa an. Auf der kleinen Insel Procida im Golf von Neapel zwischen Ischia und Neapel beispielsweise stehen sechs Baumwollzelte mit großem Komfort zur Verfügung. Sales Manager Hans Steiner sagt: „Glamping erfreut sich steigender Nachfrage, die Kunden schätzen die Kombination aus Komfort und naturnahen Ferien. Besonders gut angenommen wird auch eine ansprechende Raumgestaltung, wie wir sie in den Nordisk Villages anbieten.“
Solche Zeltstadt-Angebote sind vermutlich eine clevere Maßnahme, Glamping-Fans zu gewinnen. Dazu passt auch die Einschätzung von Intersport-Mann Oliver Walker, der fürs Glamping „eher Potenzial für die Campingplätze“ sieht. „Diese können mit mehr Komfort beim Camping punkten und neue Zielgruppen mit W-Lan, einer guten Stromversorgung und gut ausgestatteten Hütten anziehen.“ Globetrotter-Produktmanager Carl Jahn sieht in Glamping sogar nur „einen visuellen Trend, der vor allem auf Social Media präsent ist, aber dennoch nicht beim Endverbraucher ankommt“.
Dennoch bleibt festzuhalten, dass auf der einen Seite Komfort-orientierte Kunden für Nachfrage nach moderneren Formen des Campings sorgen. Auf der anderen Seite sorgt ein Trend, bei dem wiederum die Einfachheit des Reisens im Vordergrund steht, für verstärkten Bedarf an Campingartikeln: Backpacking. Angela Vögele, Marketing- und PR-Verantwortliche bei Rucksacksepzialist Deuter, betont im „MOC-Magazin“, dass Reise und Camping bei Deuter sehr wichtig seinen,„da sich der Reisemarkt und das Reiseverhalten verändern. Die Menschen unternehmen immer mehr Kurztrips, Rucksackreisen im Low-Budget-Bereich werden immer attraktiver.“
Gemischtes Gesamtbild
Die beschriebenen Entwicklungen führen nach den Auskünften, die outdoor.markt eingeholt hat, zu einem gemischten Gesamtbild für den Campingmarkt. Weder kann hier offensichtlich von einem „Boom“ noch von dramatischen Einbrüchen gesprochen werden. Das sehr vielfältige Segment Camping zeigt sich, was Umsätze und Kundennachfrage angeht, ziemlich stabil, die Tendenz geht leicht nach oben. Globetrotter-Manager Jahn sagt: „Grundsätzlich wird dieser Bereich stärker, wir sehen das vor allem in der Nachfrage bezüglich der Dachzelte und auch der Hartware, zum Beispiel Campingkocher. Hier verzeichnen wir einen stetigen Anstieg der Verkäufe, und auch aus den Filialen bekommen wir die Rückmeldung, dass die Themen Camping und Campingzubehör bei unseren Kunden eine größere Aufmerksamkeit bekommen.“ Bei Intersport entwickelt sich das eher kleine Segment Camping laut Oliver Walker „mit Blick auf die vergangenen Jahre stabil“. Unterwegs stellt indes Jessica Lange zufolge „im letzten Jahr eine Stagnation und teilweise auch einen leichten Umsatz-Rückgang fest“.
Was ist gefragt?
Die Veränderungen im Reiseverhalten wirken sich auf die Nachfrage und das Kaufverhalten aus. Unterwegs-Frau Lange fasst zusammen: „Es gibt eine Umsatzverschiebung, die zum aktuellen Reiseverhalten passt. So ist zum Beispiel der Umsatz mit Trekkingrucksäcken ab 60 Liter leicht zurückgegangen, der mit Reiserucksäcken in Handgepäcksgröße, aber auch für 60-Liter-Kofferrucksäcke, gestiegen. Der Trend zum Reisen mit Wohnmobilen oder größeren Autos schlägt sich in den Umsätzen vor allem für Kunstfaserschlafsäcke und große, bequeme Isomatten nieder. Auch Campinggeschirr, Campingmöbel und Trinkflaschen werden benötigt. Für diese Warengruppen zeigt sich auch die größte Bewegung mit einer kontinuierlichen Umsatzsteigerung seit Jahren.“ Vaude, das seine Kernkompetenz im technischeren Trekking mit hochwertigen Zelten für den Ganz-Jahreseinsatz sieht, greift den Trend zu Campingfahrzeugen dennoch ein Stück weit auf, 2020 mit einer erweiterten „Drive“-Zeltserie, mit der man sich an Naturliebhaber richte, „die spontan ihr Alltagsfahrzeug mit einfachen und universellen Anbauzelten, vom Kombi bis zum Familienbus für das Camping fit machen wollen“, so Kai Vogt. Im Übrigen gilt auch aus seiner Sicht: Der moderne Camper will’s komfortabel haben. Wichtig ist: „Ein sehr einfacher Aufbau sowie exzellente Belüftung angesichts sehr warmer Sommer und ein gewisser Komfort in puncto Stehhöhe und Breite für dickere Isomatten.“
Für Backpacker sind etwa neue Taschen/Rucksackkonzepte interessant. Deuter spricht diese Zielgruppe mit seiner neuen „Aviant“-Serie an – die die Konzepte Rucksack und Reisen miteinander verbindet. Rucksäcke, die auch als Tasche verwendet werden können und umgekehrt, die praktisch auf Kurz-reisen sind oder als Handgepäck ins Flugzeug mitgenommen werden können.
Leichtigkeit und leichte Verstaubarkeit werden immer wichtiger. Gerade wenn man mit geringem Budget unterwegs ist und spontan irgendwo sein Zelt aufschlagen will. Jack Wolfskin, wo, so CSO Markus Bötsch im „MOC-Magazin“, Reisen und Camping zu den „Kernthemen“ gehören, bietet mit seiner „Pack and Go“-Kollektion „Gadgets, die sich auf kleinstem Raum verstauen lassen und trotzdem optimale Performance und Schutz bei jedem Wetter garantieren“.
Für die Hersteller gilt im Camping- wie in anderen Segmenten: Die Lust auf Outdoor-Abenteuer kann durch erlebnisorientierte Marken-Kampagnen befeuert werden. Die Idsteiner setzten in diesem Sommer ihre „GoBackpack“-Kampagne fort, durch ein Gewinnspiel für eine Teilnahme an einem Zelt-Camp auf einer schwedischen Insel. Mehr zu dieser Aktion im outdoor.markt 7/19.
Spezifischer – und nachhaltiger
Für die vielen Teilsegmente des Camping-Bereichs, beispielsweise Zubehör, ist laut Carl Jahn von Globetrotter zu beobachten, „dass sie sich noch weiter spezifizieren. Es gibt inzwischen – grob formuliert – nicht nur verschiedene Größen, sondern auch im Kochbereich eine Variation von Materialien, zum Beispiel Edelstahl-Varianten auch bei Kochsets.“ Der Anspruch an die Produkte gehe dahin, dass die „Ausrüstung sich nicht nur für einen bestimmten Einsatz eignen, sondern auch im Alltag und auf kleinen Touren genutzt werden können soll.“ Oliver Walker von Intersport betont, dass auch Farben – vor allem bei Schlafsäcken – sowie Designs und Formen – etwa bei Trinkflaschen – eine immer größere Rolle spielen, worauf man sich mit der Marke McKinley einstelle. „Gefragt sind auch smarte Technologien wie LED- und Stirnlampen“, ergänzt Walker.
Zunehmend wichtig ist der Aspekt Nachhaltigkeit. Jessica Lange von Unterwegs betont: „Von sehr hohem Interesse ist die Umweltverträglichkeit, und zwar beginnend von der Produktion bis zur Entsorgung des Produkts, den Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten, dem Produktionsland.“ Beim Material tue sich sehr viel, vor allem bei Alternativen zu erdölbasierten Kunststoffen. „Es sind in den letzten zwei Jahren ein Vielzahl an biobasierten Kunststoffen, zum Beispiel aus Zuckerrohr oder Milch auf den Markt gekommen, aber auch andere Naturmaterialien wie Holzfasern, Kapok oder Bambus. Auch der Anteil an recycelten Materialien, zum Beispiel aus PET-Flaschen und anderem Plastikmüll, ist schnell gewachsen.“ Daneben sind auch nachwachsende Rohstoffe wie Wolle angesagt: wie etwa die Wollschlafsäcke des bayrischen Start-ups Grüezi bag.
Service und Präsentation
Für die Fachhändler liegt im Camping-Segment die Chance einerseits in Service und Beratung. „Dazu zählen das Anbringen des Dachzeltes, Durchführen von Reparaturen und auch Unterstützung bei der Auswahl. Unser ‚Eine grünere Wahl‘-Label hilft bei der nachhaltigeren Entscheidung zwischen mehreren Produkten“, so Carl Jahn von Globetrotter. Auch die Präsentation spielt eine große Rolle. Kai Vogt von Vaude berichtet: „Wir erleben immer wieder, dass potenzielle Kunden von aufgebauten Zelten und ‚Lebenswelten‘ begeistert sind. Dann kann die Emotionalität mitschwingen und Kaufentscheidungen stark mit entscheiden.“ Zelttestivals oder Showrooms bieten Möglichkeiten. Händlern, die zu wenig Platz haben, bietet Intersport in seinem Verbund mit der Intersport-App eine Lösung. „Dank Augmented-Reality können sich die Kunden die Zelte via App genau anschauen und dann direkt online bestellen. Wer möchte, kann sich seinen Einkauf auch zu seinem Händler vor Ort schicken lassen – möglich macht das unser neuer Service Click & Collect“, erklärt Oliver Walker. Also: Auch wenn es um eine besonders naturnahe Form des Reisens geht, müssen die Verbraucher mit modernen Technologien angesprochen werden.
Foto: Jack Wolfskin