Während sich der europäische Markt weiter abschwächt, finden immer mehr Outdoor-Firmen im Reich der Mitte ein neues Eldorado. Doch Vorsicht: Das neue China steht schon lange nicht mehr nur für „Geiz ist geil“!
Auf der Frühjahrsmesse der Intertextile Shanghai Apparel Fabrics belegen ausländische Aussteller etwa ein Viertel der Fläche. Die Messe München startet nach der ISPO Bejing und der ISPO Academy 2015 mit der ersten Sommer-ISPO in China. Die China Outdoor Commerce Alliance (COCA) spricht in ihrem Survey 2012 von einem „Take-off-Jahr“ – insbesondere hinsichtlich der Entwicklung weg von Quantität hin zu Qualität. „Die alte Perzeption, dass alles, was aus China kommt, billig und Müll ist, ist veraltet. Es muss akzeptiert werden, dass ,Made in China‘ mittlerweile Premium ist“, erklärt auch Gerhard Flatz, seit mittlerweile 16 Jahren beim Bekleidungshersteller KTC tätig, der in Heshan in der südchinesischen Provinz Guangdong unter anderem für Vorzeige-Label wie Mammut, Arc’teryx und Mountain Force fertigt.
35 Jahre nach der Marktöffnung durch Deng Xiaoping ist China kein Billigproduzent mehr für reine Produktionsverlagerung, sondern ein reifer Markt mit riesigem Potenzial. Mit einem Handelsumsatz von 14,52 Milliarden Yuan (zu aktuellen Wechselkursen etwa 1,75 Mrd. Euro) und einem Großhandelsumsatz von 7,39 Mrd. Yuan (0,89 Mrd. Euro) setzte der chinesische Outdoor-Markt auch bis Jahresende 2012 sein exponentielles Wachstum fort. Im Handel liegen die Wachstumsraten bei 34,94 Prozent, im Großhandel bei 36,1 Prozent.
Steigende Kosten überall
Allen Experten zufolge ist das Ende der Fahnenstange allein schon aufgrund der enormen Größe des Marktes noch lange nicht erreicht. Der Markt befindet sich immer noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, durch steigende Einkommen, steigende Ansprüche, zusätzliche Investitionen, laufende Produktinnovationen und Marktreife ist weiteres Wachstum vorprogrammiert. Im Jahr 2012 standen 418 ausländischen Marken, die ein Wachstum von 11,77 Prozent verzeichnen konnten, 405 chinesische Marken mit einem Wachstum von 18,08 Prozent gegenüber. Während die chinesischen Marken allesamt etwa gleich stark wuchsen, konnten bei den ausländischen Marken die Vollsortimenter stärker zulegen als Spezialisten.
Allen gemeinsam ist jedoch der Kampf gegen steigende Kosten, die unmittelbar mit einer ausgeprägteren Marktreife zu tun haben. COCA hat in einer Umfrage unter Brand Managern herausgefunden, das 93,6 Prozent der Marken unter steigenden Kosten zu leiden hatten. 38,4 Prozent davon sogar mit Mehrkosten von über 20 Prozent. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei einer Umfrage unter Shopbesitzern. Mit über 80 Prozent gehören steigende Löhne dabei zu den größten Kostentreibern, gefolgt von Mieten und Zuliefererpreisen.
Neue Verkaufskanäle
Während die Industrie trotzdem weiterhin optimistisch in die Zukunft blickt, scheinen Zweifel bei 35 Prozent der Shopbesitzer direkt mit den Unsicherheiten der allgemeinen chinesischen Wirtschaftslage zusammen zu hängen. Hinzu kommt ein starkes Wachstum bei den großen Department Stores, die viele als Konkurrenz ansehen. Mehr als ein Drittel der Shopbesitzer sind daher vorsichtig, was weitere Investitionen angeht. Die Industrie prescht aber weiter voran. Knapp 80 Prozent der von COCA befragten Brand Manager ging von steigenden Investitionen und weiterem Wachstum aus. Im Gegensatz zu den kleineren Spezialgeschäften profitieren insbesondere die großen Marken von der Diversifizierung der Verkaufskanäle inklusive steigender Online-Verkäufe.
INTERVIEW: „Made in China ist heute PREMIUM!“
Der Österreicher Gerhard Flatz produziert seit knapp zwanzig Jahren Outdoor-Bekleidung in China. Zu seinen Kunden zählen die Top-Marken mit ihren Top-Kollektionen. In den letzten Jahren macht er sich vermehrt Sorgen – um sein Unternehmen KTC Ltd., aber auch um die gesamte Outdoor-Industrie.
outdoor.markt: Gerhard Flatz, Sie sind seit 1997 mit Unterbrechungen hier in China. KTC gibt es hier seit 1978 . Wie hat sich was verändert?
Gerhard Flatz: Die Zivilisation hat Einzug gehalten! 1997 haben wir hier in der Firma gewohnt, es gab nicht einmal ein chinesisches Restaurant hier. Damals wurde noch sieben Tage die Woche gearbeitet, das war die Post-Kulturrevolutions-Generation, die wirklich noch gekämpft hat ums Überleben. Die Mädchen im Büro haben alle hier in den Dormitories gewohnt, die haben von morgens früh bis abends spät gearbeitet, die hatten die Verantwortung ihren Familien gegenüber. Durch die Ein-Kind-Politik hat sich das verändert: Das Personal, das wir früher an der Maschine hatten, ist heute im Service-Bereich, die Facharbeiter haben sich in die Universitäten verabschiedet. Ein-Kind-Politik heißt für uns auch, dass die jüngeren Mitarbeiter mit dem silbernen Löffel aufgewachsen sind. Der Druck auf diese 90er-Generation ist nicht mehr so groß. Die alten Haudegen, die gibt es einfach nicht mehr, nicht hier und auch nicht mehr in Hongkong. Das jüngste Personal in Hongkong mit ein bisschen Bekleidungserfahrung ist Ende 40!
Das alte Stereotyp der hart arbeitenden Chinesen ist also überholt?
Wenn du früher gesagt hast, du arbeitest keine Überzeit, dann war das ein Problem! Da war jeder einzelne Groschen, den sie verdient haben, wichtig zum Überleben! Das ganze Essen war umsonst, die Unterkunft war umsonst, mehr oder weniger alles ging zur Familie. Aber dieser Hunger ist bei jüngeren Mitarbeitern heute weg. In China wiederholt sich genau das, was in Europa passiert ist, nur fünfmal schneller. Was dort 25 Jahre gedauert hat, dauert hier fünf Jahre.
Wie sehen denn die Arbeitszeiten bei Ihnen heute aus?
Wir arbeiten zehn Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Das sind 60 Stunden mit Überstunden, die wir maximal arbeiten dürfen, und das schöpfen wir auch voll aus, denn die brauche ich. In China gilt die gesetzliche 40-Stunden-Woche – die Zeit über acht Stunden und der Samstag werden als Überstunden bezahlt. Und auch mit den Sozialversicherungsbestimmungen liegen wir konform mit dem Gesetz. Aber das ist nach wie vor nicht einfach: Ich habe mittlerweile 78 Prozent meiner Mitarbeiter in der Sozialversicherung drin. Es gibt aber Leute, die sich partout dagegen sträuben. Obwohl es ein Gesetz ist, kann die Regierung nichts dafür tun, wenn die Leute nicht wollen. Wer sein Geld von einer Provinz in die andere bringen will, hat viel Papierkram. Die Leute haben dann einfach kein Vertrauen. Und es gab tatsächlich Pensionskassen, die verschwunden sind. Dann überlegst du dir, zehn Prozent deines Gehaltes in die Sozialversicherung einzubezahlen, wenn du es später vielleicht gar nicht bekommst und sowieso schon nur ein geringfügiges Gehalt hast. Das wird aber jetzt Schritt für Schritt besser durch zunehmende Vernetzung. China entwickelt sich in dem Bereich wahnsinnig. In den nächsten fünf Jahren werden wir also zu hundert Prozent gecovert sein. Wir haben jetzt auch angefangen, dass jeder, der neu anfängt, in der Sozialversicherung sein muss. Nur schneidest du dir damit auch wieder ins eigene Fleisch: Wenn jemand partout nicht will, ist aber ein guter Näher, dann musst du sagen: Tut mir leid. Ein anderer nimmt ihn aber mit Handkuss …
Was unterscheidet Ihr Unternehmen von anderen Fabriken?
Es war schon von Anfang an das Credo der Firma, auf die Leute zu schauen. Der Leitsatz war schon immer „Business is People“, auch schon bevor es anfing, dass sich jeder zertifiziert hat. Ich bin bis heute partout noch nicht perfekt, aber ich versuche, das Menschenmögliche zu tun. Du wirst ja nach einer gewissen Zeit auch betriebsblind, und die Fair Wear Foundation steht dir dann ab und zu auf den Füßen.
Ihre Fabrik ist Mitglied der Fair Wear Foundation, die sonst eher Marken vorbehalten ist …
Ganz klar, das ist ein Gütesiegel! Das ist ein Ritterschlag! Man muss sich mal vorstellen: Du als Produzent in China darfst diesem elitären Club der Fair Wear Foundation beitreten! Das war ja komplettes Neuland. Die anderen waren Fabriken, die Marken gehört haben.
Was sind die Kriterien?
Es geht um Löhne, Arbeitszeiten, Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen, Überstunden und darum, dass ich nicht getäuscht habe. Die Auditoren wissen doch auch, dass die ganzen Fabriken sie bescheißen, dass die Lohnzettel, die sie zeigen, frisiert sind, aber ich war ganz offen und ehrlich. Eine Journalistin war auch mit dabei, die das Ganze dokumentiert hat. Die durften einfach überall rein. Es gab Arbeiterinterviews, es wurde am Wochenende überwacht, ob wirklich nicht gearbeitet wird, es gab eine Beschwerdehotline, wo Arbeiter anrufen können, wenn irgendwas nicht stimmt. Also, da muss ich sagen, dass ich darauf heute immer noch stolz bin, dass wir diesen ganzen Schritt erreicht habe.
Wie ist das Verhältnis von Chinesen und Ausländern in verantwortungsvollen Positionen?
Von gut 2.500 Mitarbeitern sind insgesamt nur drei Ausländer. Es wird so weit kommen, dass die Chinesen nach Europa kommen und uns wieder zeigen, wie man industriell Bekleidung fertigt! Dieses Qualitätsniveau, das wir hier bei KTC haben, findest du schon heute in Europa nicht mehr. Man kann das Handwerk nicht in der Schule lernen, sondern nur in dem altbewährten System zwischen Meister und Lehrling. Das wurde hier von einer Generation auf die nächste weitergegeben.
Wie haben sich denn die Löhne entwickelt?
Von 2002 bis 2012 ist der Minimumlohn von umgerechnet 20 auf 120 Euro gestiegen. Wir sind hier heute auf einem Durchschnittslevel von 3.500 Yuan, bei einem Minimumlevel von 1.130 Yuan zahlen wir einen Durchschnitt inklusive Überstunden und Gratifikationen von 3.500. Darunter kriegst du keinen mehr. Das sind schon gewaltige Sprünge gewesen.
Dabei gelten die Kosten bis heute doch als Hauptgrund für eine Verlagerung der Produktion. Also geht es von hier aus demnächst nach Bangladesch?
Nein, das geht doch gar nicht. Dann wären wir doch Trottel! Es hat 30 Jahre gebraucht, um diesen Qualitätslevel hier zu erreichen. Entweder überleben wir hier, oder es wird irgendwann KTC nicht mehr geben.
Das heißt, China ist nicht mehr in erster Linie „billig“?
Es muss akzeptiert werden, dass „Made in China“ Premium ist. Die alte Perzeption, dass alles, was aus China kommt, nur billig und Müll ist, die ist veraltet. Es gibt ein neues China. Und der große Drache wird beißen! Gehen wir mal ein bisschen zurück, zum Beispiel ins 18. Jahrhundert. „Made in Germany“ war verpönt bei den Engländern als Ramschlabel. Und wo steht „Made in Germany“ heute? Und wir werden es noch miterleben, dass „Made in China“ akzeptiert wird als qualitativ hochwertiges Produkt.
Dazu müssten aber auch die Preise weiter steigen, oder?
Wir haben ungefähr 15 Prozent Lohnsteigerung pro Jahr. In meinem Preis, wie ich es verkaufe, sind normalerweise 65 bis 70 Prozent Lohnanteil drin, das sind in fünf Jahren 20 Prozent am FOB. Und das bedeutet ganz klar: In den jetzigen Strukturen geht das dem Exitus zu. Hinzu kommen die ganzen Restriktionen mit Chemikalien und, und, und … Die Marken verdienen auch kein Geld mehr, der Händler verdient auch kein Geld mehr: Es verdient ja keiner mehr Geld!
In der Perzeption beim Endverbraucher streichen sich die Marken die Margen ein …
Die Marke muss Rabatte geben, Werbekostenzuschüsse und sonstiges Gefummel, muss ins Marketing und in die Markenbekanntheit investieren. Das ist ja ein Verdrängungswettbewerb da draußen, wir erschließen doch keine neuen Märkte. Das ist ja nur: Wer zieht schneller die Knarre! Ein altes Wildwest-Spiel! Es ist immer einer billiger. Und immer geht einer einen Kompromissdeal ein. Ich kann mich hinstellen wie ein Fels in der Brandung und sagen: Ich mach’s nicht! Aber ich bin sicher, dass es ein anderer macht! Also bin ich doch gezwungen, es zu machen. Du musst die Hose runterlassen, und dann nimmt man dir auch noch die Unterhose weg … und dann geb ich dir Recht. Wie willst du das einem Endverbraucher erklären? Da gibt es die Jacke, die kostet 1/5 in der Produktion und warum verdient keiner Geld?
Ja, warum?
Wir haben zu viel am Markt. Es ist zu viel Ware am Markt. Und es ist keine Fokussierung mehr am Markt. Jeder wildert in irgendwelchen Territorien. Der Händler hat eine Eigenmarke, die Eigenmarke wird zum Händler, ein Bergsport-Spezialist zum Running-Spezialisten oder zum Casual-Outfitter. Jeder versucht, irgendwo noch ein Geschäft zu machen. Aber dadurch, dass jeder irgendwo ein Geschäft macht, macht keiner mehr ein Geschäft. Das ist unser Problem.
Das heißt, billiger kann nicht mehr produziert werden?
Ganz ehrlich: Bevor ich mich in einen Preiskampf begebe, sperr ich zu! Ich habe eine Verantwortung meinen Mitarbeitern gegenüber!
Und was heißt das letztendlich für die Qualität?
Manufactum zum Beispiel macht es uns vor: Sachen, die man wieder reparieren kann! Stichwort Langlebigkeit! Will ich mir heute eine Jacke kaufen, die 300 Euro kostet, muss die doch normalerweise so gut sein, dass ich sie meinem Sohn weitervererben kann! Dann rechne ich wie ein Kaufmann: Lieber einmal was Teureres gekauft als viermal was Billiges. Geht aber nicht! Der Markt und die Marke lassen das nicht zu. Was ist denn Marke eigentlich? Begehrlichkeit? Qualität? Sachen, die man reparieren kann? Ich repariere mein Auto, aber ich repariere nicht mein T-Shirt. Ich werfe es weg! Wir haben sogenannte Disposable Products generiert. Und dann müssen wir uns wieder Gedanken machen über PFC. Wir verschmutzen die Umwelt. Na, ganz klar: Wenn ich heute ein T-Shirt bekomme, das billiger ist als Waschmittel, dann ziehe ich es an und werfe es weg! Wir sind mit unserem überschwänglichen Lebensstil selbst schuld an dieser ganzen Misere. Wir rotten uns selbst damit aus.
Wohin steuert die Outdoor-Industrie, von China aus betrachtet?
Wir haben 15 Jahre lang Wachstum gehabt, und aufgrund des Wachstums sind sehr viele neue Marken dazugekommen. Die Bevölkerung in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist aber nicht gewachsen. Wenn wir 20 Prozent Wachstum bei hundert Prozent mehr Marken haben wollen, ist es ganz klar, dass es zu einer Konsolidierung kommt. Das kann uns sogar ein Volksschüler vorrechnen. Und dann kommt noch hinzu, dass einen großen Teil des Marktes ein Tchibo, ein Aldi und ein Lidl frisst. Und dann kommt vielleicht ein Decathlon auch noch mit dazu.
Das heißt, für Sie war die Entwicklung absehbar?
Man hat es einfach unter den Teppich gekehrt. Keiner wollte das wahrhaben. Das waren die goldenen Zeiten. Und in solchen Zeiten will niemand über Negatives nachdenken.
Und jetzt?
Man hat versucht, das Problem zu verlagern, mehrere Kanäle aufzumachen. Kollektionsgrößen bedeuten aber auch Overhead, Kapitalbindung, Druck. Dann wurden manche von Venture Capitalists übernommen, von Heuschrecken. Und die geben ihnen jetzt saftige Targets …Wir wurden zu geizig, Geiz ist geil, überall. Aber nicht nur beim Endkonsumenten, überall. Asien war billig, es war unsere Schuld, auch als Produzenten. Jeder, der eine Maschine bedienen konnte, wurde selbstständig. Die Marken haben früher Eigenproduktionen gehabt, haben selbst geschwitzt, haben ein Wachstum von niedrigen einstelligen Prozentraten erreicht. Dann kamen die Asiaten – fünf Prozent dem Lieferanten, fünf Prozent dem nächsten und so weiter, das Risiko war weg! Verdient hat man wie die Wahnsinnigen. Was man vergessen hat, war nur, dass der Asiate auch irgendwann einmal zivilisiert wird. Früher gab es hier nur Reisfelder, heute Shopping-Center, Restaurant-Tempel. Und jetzt holt uns die Realität ein. Wie gesagt – in der fünffachen Geschwindigkeit.
Als was sehen Sie KTC in diesem ganzen Geflecht?
Als Mahnmal. Sicherlich auch als Hochburg der Qualität durch meinen Qualitäts-Fetischismus, aber vor allem als Mahnmal. Ich mahne zur Vernunft, ich mahne zum Umdenken. Ich predige, aber es könnte sein, dass irgendwann der Prediger nicht mehr da ist …
Welche Vision haben Sie von KTC in der Zukunft?
Ich kann nicht mehr als fünf Jahre in die Zukunft blicken. Bis dahin will ich das beibehalten, was wir heute sind. Dass wir eine balancierte Produktion haben. Dass wir einen Markt haben, der sich wieder fokussiert hat, dass wir vielleicht statt mit 20 mit fünf Marken zusammenarbeiten. Dass ich mich hier selber wieder mehr fokussieren kann, anstatt überall nur Brände zu löschen. Dass ich wieder wirkliche Innovationen liefern kann, mit Marken, die wirklich etwas erreichen wollen.
Und was kann der Handel dafür tun?
Das ist eine gute Frage. Ebenfalls fokussieren! Brauche ich zehn Marken im Outdoor-Bereich? Oder reicht vielleicht eine? Auch als Händler muss ich mich fokussieren. Ich habe im Bergsport meine Marke Nummer eins. Da bin ich von überzeugt, dass dies das beste Produkt ist. Da ist mein Herz drin. Wenn ein Kunde kommt, dem erzähl ich so viel, dass er die Jacke einfach mitnehmen muss! Und im Fahrrad-Bereich muss es eine andere Marke sein. Aber nicht die, mit der ich den besten Deal gemacht habe, mit der ich das meiste Geld verdiene, die mir den höchsten Werbekostenzuschuss gibt! Aber welcher Händler ist noch von einem Produkt überzeugt? Die sind zu weit weg. Sie haben nicht mehr diesen Fetisch! Das Produkt ist den meisten doch egal. Hauptsache, es dreht sich! Wenn ich aber drei identische Gore-Tex-Drei-Lagen-Jacken im Geschäft habe, wie will ich da eine Fachberatung machen? Outdoor ist mehr als nur Bergsport! Dialog aufbauen und wirklich fragen, was der Kunde will. Vielleicht braucht der gar keine Jacke, mit der er den Everest besteigen kann, wenn er mit seinem Hund Gassi geht! Der Handel muss den Endkonsumenten erziehen. Ansonsten gehe ich ins Internet. Punkt! Ich bekomme doch heute schon mehr Beratung im Internet als im Laden! Wir haben verlernt, miteinander zu kommunizieren. Es ist unpersönlich geworden, miteinander zu reden. „Was für ein aufdringlicher Verkäufer“, denken wir, wenn er mich fragt, ob er mir helfen kann. „Ich will mich nur umschauen“, sagen wir! Als Verkäufer musst du Schmäh haben, du musst polarisieren. Jeder muss einfach wieder zurück auf seine Position, wie beim Fußball: Als Tormann kann ich nicht Stürmer sein. KTC kann keine Marke sein und kein Einzelhändler. KTC ist ein Produzent seit über 40 Jahren. Aber ein Einzelhändler kann auch kein Produzent sein, wenn er Einzelhändler ist. Und die Marke? Sie ist weder Einzelhändler noch Produzent, sondern dazwischen, Vermittler. Also eigentlich auch Händler. Im Moment handeln zu viele Personen mit. Jeder handelt. Jeder muss wieder auf seine Position zurück.