Bedarfskauf, Kundenbindung, Trendsetter-Sport – so lauten die Schlagworte zur diesjährigen Bergsportsaison. Der Markt ist in Bewegung und verspricht viele neue Chancen.
Katharina Hecht, langjährige Verkäuferin in der Bergschuh-Abteilung von Sport Schuster am Münchner Marienplatz, kennt die Kunden genau. „Es wird viel über Optik verkauft, trotzdem müssen die Kunden in Sachen Passform und Ausstattung eingehend beraten werden.“ Hecht nimmt sich viel Zeit für jeden einzelnen Kunden. Gerade an den Wochenenden strömen die Wanderfans derzeit ins Geschäft. Nach dem Schuhkauf werden die Kunden oft noch in andere Abteilungen oder besser Etagen des mehrstöckigen Schusterhauses geschickt, weil der eine oder andere Ausrüstungsgegenstand doch noch fehlt. Bergsport ist Allroundsport, vom Klettern bis hin zur alpinen Wandertour.
Outdoor als Warenhaus-Retter
Das zeigt aber auch: Outdoor ist Bedarfssport, wie ein Schuhverkäufer in der Outdoor-Abteilung vom Karstadt-Sporthaus meint. „Die Nachfrage ist vorhanden, und die Verkäufe bewegen sich immer noch auf hohem Niveau“, sagt der erfahrene Verkäufer. Übrigens: Darauf sollte der Konzern reagieren, wünscht sich der Karstadt-Mitarbeiter. Nach unzähligen Sparrunden und Angebotsschrumpfungen sei es jetzt an der Zeit, die Markenvielfalt und Sortimentserweiterung mal wieder aufzunehmen. „Der Kunde sucht danach und erwartet das.“ Bergsport als Warenhaus-Retter? Warum nicht. Vielleicht erreicht die Chef-Einkäufer und Sortimentslenker dieser Rat ja, und sie reagieren dementsprechend.
Darüber hinaus gewinnt das Thema Kundenbindung im Bereich Bergsport momentan noch stärker an Bedeutung. Intensive und beste Beratung ist das eine, Community-Building das andere. Vor allem Letzteres soll im neu eröffneten Flaggschiff von Salewa vorangetrieben werden. „Bergsport boomt, und wir sind dabei und in München jetzt mittendrin“, freut sich Tom Lehmann, Storemanager in dem neuen „Salewa World“ genannten Markenstore, in dem auch Produkte der Oberalp-Tochter Dynafit verkauft werden. So wird zum kommenden Winter die obere Etage im Laden zum Ski-Touren-Kompetenz-Center umgerüstet, verrät Lehmann, mit dem entsprechenden Angebot von Hartware. „Wir wollen unsere Salewa-Fans ansprechen und auch neue erreichen“, meint der Ladenchef. Über Aktionen, spezielle Events im Geschäft und eine sichtbare Präsenz will Lehmann zusätzliche Stammkunden gewinnen und eine Art Bergsport-Community aufbauen. „Vielleicht rufen wir auch einen Stammtisch ins Leben“, so der Store-Leiter. Zudem sollen voraussichtlich auch Drittmarken, die ins Sortiment passen, mit aufgenommen werden.
Stockmarkt lebt von Innovationen
Das könnten beispielsweise Trekkingstöcke sein. Denn der Stockmarkt boomt und lebt von den Innovationen, wie die Entwicklung bei den beiden Marktführern Leki und Komperdell zeigt. Teleskop-Stöcke und Carbon sind die Technologietreiber auf diesem millionenschweren Markt. Alleine Komperdell produziert an die eine Million Paar Stöcke. Leki treibt zukunftsweisende Lackierverfahren voran und verfeinert die Beschichtungen noch. „Trekking-stöcke werden sehr gut verkauft“, bestätigt ein Verkäufer in der Outdoor-Abteilung von Kaufhof. Auch hier zähle Erfahrung, Kompetenz in der Beratung und Angebotsvielfalt. „Über Bergsport und Trekking erreichen wir die ältere Generation“, weiß der Verkäufer, und genau diese wachse nicht nur zahlenmäßig als Zielgruppe, sondern werde auch immer aufgeschlossener.
Lieber Boulderhalle statt Computer
Was treibt die Bergsport-Sparte als Trend weiter an? Bouldern! Indoor-Klettern auf überschaubarer Höhe und mit absichernder Matte entwickelt sich immer mehr als Renner bei der jungen Generation. Boulderhallen sind in diesem Jahr knallvoll und stellen den neuen sozialen Treffpunkt zum Austauschen, Kennenlernen und Rumhängen und natürlich auch zum Fitnesstreiben dar. Soziale Outdoor-Realität hier oder die Wiederbelebung des Stammtisches dort, bei der die überholte Facebook-Virtualität offenbar nicht mithalten kann. Die erfolgreichen Gründer und Kletter-Freaks der Münchner -„Boulderwelt“, Dave Cato und Markus Grünebach, wollen im Sommer eine zweite Halle an der Isar (mit über 2.500 Quadratmetern) eröffnen. Außerdem ist die weitere Expansion bundesweit geplant, mit ersten „Boulderwelten“ in Regensburg und in Frankfurt sind sie bereits weiter Richtung Norden gezogen. Marken wie Vaude und Edelrid, Kletterausrüster der ersten Stunde, unterstützen die Szene ebenfalls und verstärken ihre Präsenz in den Hallen. Gut angekommen hierzulande ist zudem die Bergsportmarke Camp aus Nord-italien, die dieses Jahr ihr 125-jähriges Jubliläum feiert. Seit 2013 erobert die Traditionsmarke mit neuer Vertriebsstruktur von Süddeutschland aus den bundesdeutschen Markt.
Authentizität gefragt
Ob Klettern, Wandern oder Trekking – der Bergsport-Markt trägt sich also weiterhin auf hohem Niveau mit innovativen Produkten, einer hohen Beratungskompetenz und eta-blierten Trends. Das lockt auch neue Marken nach Deutschland, die mit einem etwas anderen Auftritt Alternativen bieten wollen: so zum Beispiel das nepalesische Outdoor-Label Sherpa Adventure Gear, das seit 2013 im deutschen Fachhandel vertreten ist. Die junge Marke, deren Sortiment von technischen Wetterschutzjacken bis hin zu handgestrickten Mützen reicht, punktet unter anderem über Authentiziät und Verantwortungsbewusstsein. In dem Unternehmen gehören nicht nur die Firmenspitze dem Volk der Sherpa an, sondern auch viele Mitarbeiter, die die Produkte in den Höhen des Himalaya testen. Produziert wird größtenteils in Nepals Hauptstadt Kathmandu – unter möglichst fairen Arbeits- und Umweltbedingungen. So geht beispielsweise ein Teil des Firmenumsatzes an eine Stiftung, die Bildungsprogramme für Sherpa-Kinder initiiert. Die handgestrickten Mützen, Handschuhe etc. werden von Sherpa-Frauen gefertigt, die damit Geld für ihre Familien verdienen. Im Fachhandel präsentiert sich die Marke entsprechend mit traditionellen nepalesischen Elementen, die die Herkunft des Unternehmens und gleichzeitig auch sein Engagement gegen die Armut im Heimatland symbolisieren sollen. Das kommt an: Gut 80 Partner im Outdoor- und outdoor-affinen Sportfachhandel hat die Marke in Deutschland bereits gewinnen können, Tendenz steigend. Handel und Konsumenten scheinen also auf der Suche zu sein nach authentischen Marken. In einer Welt, in der Produkte immer austauschbarer werden, sind Labels mit glaubwürdigen, nicht alltäglichen Geschichten und sozialem wie ökologischem Verantwortungsbewusstsein zunehmend gefragter. Insgesamt gilt für den Outdoor-Handel in diesem Jahr mehr denn je: Augen auf – der Bergsport inspiriert, bewegt und motiviert.