Im Gespräch mit dem outdoor.markt beschreibt Arne Strate, Generalsekretär der European Outdoor Group, welche Lehren die Branche aus der Coronakrise aus seiner Sicht ziehen sollte.
outdoor.markt: Manche erhoffen sich von dieser außergewöhnlichen Krise auch nachhaltige positive Effekte, grundlegende Veränderungen beispielsweise in der Art unseres Wirtschaftens. Welche Veränderungen kann oder sollte es Ihrer Ansicht nach in der Outdoor-Branche geben?
Arne Strate: Ich sehe wirklich große Chancen bezüglich der Orderzyklen. Wir haben heute das Problem, dass die Einzelhändler Orders schreiben sollen, wenn sie noch gar keine Erfahrungen aus der laufenden Saison haben. Herbst-/Winter-Orders werden beispielsweise oft noch im Dezember des laufenden Jahres geschrieben, ausgeliefert wird dann ab Juni. Das heißt, Sommerware wird im Winter, Winterware im Sommer ausgeliefert, und das alles auf Basis der „first in, first out“-Devise, also der Annahme, dass, wer zuerst ausliefert, zuerst ausverkauft ist und vom Handel die ersten Nachorders bekommt. Aber das ist nicht mehr haltbar. Selbst wenn die These „zuerst ausverkauft“ für ein bestimmtes Produkt hinhaut, wird es mit den Nachorders normalerweise trotzdem nichts, weil der Händler mehrfach das gleiche Volumen von vergleichbaren Produkten von anderen Marken hat. Und die will er erst mal verkaufen, bevor er nachordert. Also, es wäre wirklich wünschenswert, das Timing passend zu machen, sodass es mehr an den natürlichen Saisonen orientiert ist. Das kommt auch dem Verbraucher entgegen, funktioniert aber natürlich nur, wenn der Großteil der Branche mitmacht.
Haben Sie eine Vorstellung von einem konkreten Zeitraum der Verschiebung der Bestellungen?
Ich stelle mir vier vor, die Order und dementsprechend auch die Auslieferung vier bis acht Wochen nach hinten rauszuschieben. Das muss natürlich für jede Region und jede Produktkategorie angepasst werden. Eine Generallösung, die für alles in allen Märkten passt, gibt es sicher nicht. Aber grundsätzlich das richtige Produkt zur richtigen Zeit anzubieten, könnte viele Probleme der Branche lösen. Ich sehe aber auch ein grundlegendes Problem in der Wertschöpfungskette an sich. Wir haben teilweise sehr lange Vorlaufzeiten. Von der Idee bis zum fertigen Produkt dauert es teilweise bis zu 18 Monate. Wie wahrscheinlich ist es, dass das dann noch relevant ist? Da ist man weit weg von der betreffenden Saison und den Bedingungen, etwa den Wetterverhältnissen, die dann herrschen. Klar ist es momentan nicht realistisch, dass ein Produkt quasi auf Kundenwunsch direkt produziert wird, aber etwas näher an die Saisonen ranzukommen wäre schon wichtig. Und wenn der Händler schon Abverkaufszahlen für den laufenden Winter hat, ehe er für den nächsten bestellt, fällt die Planung unter Umständen leichter. Bei Lieferung der Ware erst zum Start der natürlichen Saison fielen dann auch Dinge wie Valuta gewähren etc. weg. Alles basiert zurzeit auf den Verkaufszahlen des vorangegangenen Jahres, aber nicht auf den Anforderungen des Marktes im nächsten Jahr. Da müssen wir besser werden und können es, es gibt gute Beispiele aus anderen Sektoren.
Vieles, was gerade erzwungenermaßen passiert, könnte den Prozess hin zu einem veränderten Timing, wie Sie es angesprochen haben, in Gang bringen …
Ja, das Frühjahr hat für viele gar nicht stattgefunden, Ware liegt unverkauft herum, viele nehmen ihre Kollektionen mit in die Saison 2021. Die Herbst-/Winterware wird später ausgeliefert. Wenn die jetzt im September kommt, ist das ja näher an der Realität, als es bisher der Fall war. Man könnte nun aus der Not eine Tugend machen und dieses Timing einfach beibehalten. Die Krise bietet also hier wirklich eine Chance.
Wir haben mit Arne Strate auch darüber gesprochen, wie sich die Coronakrise auf die Arbeit der EOG selbst auswirkt. Hier