In Sachen Nachhaltigkeit war der Outdoor-Ausrüster Vaude aus Tettnang seinen Konkurrenten schon immer eine Nasenlänge voraus. Bereits 2001 wurde ein gesamter Produktbereich dem strengen Umweltstandard Bluesign unterworfen, 2008 folgte der Beitritt als Vollmitglied. Bis 2015 wollen die Oberschwaben nun Europas ökologischster Outdoor-Hersteller werden. Vaude-Geschäftsführerin und -Gründertochter Antje von Dewitz hat mit -outdoor.markt über diese grüne Strategie und bereits erreichte Meilensteine gesprochen.
outdoor.markt: Gerade in der Outdoor-Branche spielt das Thema Nachhaltigkeit eine immer wichtigere Rolle. Warum? Fühlen sich Ausrüster für Naturerlebnisse besonders verantwortlich für den Umweltschutz? Oder kommt eine Outdoor-Marke ohne vernünftiges Ökologie-Konzept heute beim Kunden einfach nicht mehr an?
Antje von Dewitz: Ich glaube, das ist eine Mischung. Die Natur ist unsere Geschäftsgrundlage und Menschen, die in der Outdoor-Branche arbeiten, ist wohl per se eher am Naturschutz gelegen. Hinzu kommt, dass die Outdoor-Branche in den letzten Jahren auch unter Beschuss stand, was dieses Thema angeht. Einerseits, weil die Branche stark gewachsen und dadurch in den Mittelpunkt gerückt ist. Andererseits ist die Kundenerwartung, was die Umweltverträglichkeit der Produkte angeht, hier besonders hoch. Vor ein paar Jahren konnte man noch blankes Erstaunen in den Gesichtern der Kunden sehen, wenn sie hörten, dass wir in Asien produzieren oder chemische Ausrüstungen benutzen. Das hat sich geändert. Aber vor ein paar Jahren wurde einfach erwartet: Ein Outdoor-Produkt ist bestimmt auch ein ökologisch einwandfreies Produkt. Entsprechend hoch war die Fall-höhe für ein Outdoor-Unternehmen, wenn dem nicht so war.
Haben diese Erwartungen durch die Greenpeace-Reports noch einmal zugenommen?
Die Erwartung nicht, aber das Problembewusstsein, dass eben nicht alles in Ordnung ist. Wir nehmen wahr, dass die Kunden zunehmend kritischer werden, bewusster nachfragen, was ich sehr positiv finde.
Nun ist Vaude seit jeher ein Pionier in Sachen Nachhaltigkeit. Ihr Vater ließ zum Beispiel 1994 als Erster sortenreine Funktionsbekleidung im eigenen Netzwerk „Ecolog“ recyceln. 2008 wurde Vaude als erster europäischer Outdoor-Hersteller Vollmitglied bei Bluesign. Honoriert der Markt eine solche Vorreiterrolle?
Ab 2008 haben wir gesagt, wir möchten diesen Weg konsequent gehen und ein durch und durch nachhaltiges Unternehmen werden. Die ersten zwei, drei Jahre wurden wir dann schon eher belächelt. Viele waren skeptisch, meinten, das könne ja nicht funktionieren. Aber heute wird diese Vorreiterrolle honoriert. Wir werden gerne als Ratgeber geholt, branchenintern oder auch von Seiten der Politik. Wir haben uns eine Position erarbeitet, wo der Markt das entsprechend honoriert.
Macht sich das denn auch im Umsatz bemerkbar?
Der Outdoor-Markt wächst ja seit zwei, drei Jahren nur noch ganz schwach. Wir aber wachsen stark, in den letzten zwei, drei Jahren um sieben bis zehn Prozent, also weit über dem Marktwachstum. Grundlage dafür ist sicher unsere klare Markenstrategie, in der wir Performance mit Ökologie vereinen.
Wie schwer war es, neben den Produktionsstätten auch die Zuliefererbetriebe von dem aufwendigen Schritt hin zum Bluesign-Standard zu überzeugen? Die werden im Bluesign-System ja mit zertifiziert.
Wir haben 2001 mit Bluesign gestartet. Schon damals hatten wir das Ziel, die gesamte Kollektion Stück für Stück im Bluesign-Standard zu zertifizieren. Bis 2008 sind wir allerdings nicht über Unterwäsche und T-Shirts hinausgekommen, genau aus dem Grund. Dann kam REACH, eine europäische Chemikalien-Verordnung, die verlangt, dass die Hersteller wissen, welche chemischen Stoffe ihre Produkte enthalten. Darauf ist Bluesign die ideale Antwort, weil hier alles, was in das Produkt reinkommt, vorher zertifiziert wird. Und seit REACH in Kraft ist, gab es eine steigende Nachfrage der Unternehmen nach Bluesign, die es uns ermöglichte, wieder vo-ranzukommen. Heute sind knapp 80 Prozent der Materialien unserer Bekleidungskollektion Bluesign-zertifiziert. Als Mittelständler hätten wir das alleine nicht geschafft.
2009 haben Sie das Familien-unternehmen von Ihrem Vater übernommen und die grüne Firmenphilosophie konsequent weiter ausgebaut. Was waren seitdem Ihre persönlichen Highlights in Sachen Nachhaltigkeit?
Ich bin natürlich sehr stolz darauf, dass wir seit 2012 am Standort klimaneutral produzieren oder dass wir jetzt knapp 80 Prozent unserer Bekleidungskollektion in „Green Shape“ haben – unserem eigenen Label, das umweltfreundliche Produkte auszeichnet. Oder dass wir es dieses Jahr noch schaffen werden, 90 Prozent unserer knapp 50 Produktionsstätten weltweit Fair-Wear-auditiert zu haben. Als ein ganz persönliches Highlight empfinde ich es aber auch, wenn ich sehe, wie sich unsere Mitarbeiter engagieren. Anfangs gab es auch intern Skepsis gegen den Weg und Überlegungen wie: Ist der jetzt langfristig oder ist das bloß eine Marketing-Idee? Als jedoch klar wurde, dass die Ausrichtung ernst gemeint ist, haben die Mitarbeiter angefangen, sich voll damit zu identifizieren, legen etwa von sich aus Energiesparkonzepte für Serverräume oder Lampen vor, reduzieren den Papierverbrauch oder kommen per Rad bzw. Fahrgemeinschaft zur Arbeit. Das ist für mich befriedigend, dass ich sehe, dass diese Quelle an nachhaltigem Tatendrang sich verselbstständigt hat, dass da eigenes Herzblut dahintersteht und sich die Ergebnisse dadurch eben auch multiplizieren.
Wie groß ist denn das Team, das sich bei Vaude hauptamtlich um das Thema Nachhaltigkeit kümmert?
Wir haben ein Kernteam von drei Personen, die nichts anderes machen, sowie ein CSR-Team aus Botschaftern der verschiedenen Abteilungen. Außerdem hat jede Führungskraft in ihrem Bereich die Verantwortlichkeit, diesen auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Damit gibt es kaum mehr einen Mitarbeiter bei Vaude, der keine Ziele in Richtung Nachhaltigkeit hat.
Lässt sich der Kunde sein „grünes Gewissen“ denn auch etwas kosten, damit sich die Mehrkosten, die mit der Nachhaltigkeit verbunden sind, decken lassen?
Wenn wir alle Mehrkosten auf unsere „Green Shape“-Kollektion umrechnen, dann belaufen sich diese auf 15 bis vielleicht 20 Prozent. Das können wir so nicht weitergeben. Aber wir haben in den letzten Jahren ein Upgrading unserer Marke und unserer Produkte vollzogen. Wir spüren schon, dass wir mit der Art und Weise, wie wir das Thema Nachhaltigkeit kommunizieren und entsprechend Bewusstsein wecken, auch höhere Preise erreichen können. Die decken aber nicht komplett die Mehrkosten.
Das heißt, Sie investieren in erster Linie ins Markenimage?
Durch unser Recycling-Netzwerk „Ecolog“, bei dem fast keine Jacken zurückgesen-det wurden, haben wir anfangs einiges gelernt. Hier hatten wir als Mittelständler viel Energie in ein Einzel-Projekt gesteckt, das einen sehr guten Ansatz hatte, aber letztlich wenig bewirkte, auch für die Marke. Daher haben wir gesagt: Dieser Weg kann für uns nur dann wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn er sich in der Marke widerspiegelt und ihr Glanz verleiht. Das war auch ein Grund dafür, dass wir entschieden haben: Wir machen das jetzt konsequent. Für uns funktioniert es nur ganz oder gar nicht. Anders können wir es uns nicht leisten.
2009 haben Sie es sich zum Ziel gesetzt, Vaude bis 2015 zu Europas nachhaltigstem Outdoor-Unternehmen zu machen. Wie wollen Sie diesen Erfolg messen?
Wir haben verschiedene Ziele formuliert, wie zum Beispiel ein 80-prozentiger „Green Shape“-Anteil in der Bekleidungskollektion. Wir möchten alle unsere Produktionsstätten FairWear-auditiert haben. Die Klimaneutralität unseres Standorts war ein Ziel. So haben wir uns damals messbare Ziele gesetzt, die wir kontrollieren können. Auf der anderen Seite können wir anhand von Image-studien messen, wie wir gesehen werden. Zum Beispiel wurden wir von den Lesern des DAV-Magazins -„Panorama“ gerade als nachhaltigstes Unternehmen gewertet, ebenso von den „Outdoor“-Lesern. Und damit wir vergleichbar sind, werden wir in diesem Jahr noch einen Global Reporting Index veröffentlichen. Dieser GRI ist ein internationaler Standard, der sich nicht nur auf wirtschaftliche Kennzahlen bezieht, sondern auch auf das ökologische und soziale Engagement eines Unternehmens. Dieser Bericht macht uns auch in diesen Feldern international messbar, bestätigt durch Wirtschaftsprüfer, so dass jeder in der Lage ist, uns mit anderen Unternehmen zu vergleichen.
Sind Sie mit Ihrem Vorhaben denn schon auf der Zielgeraden?
Wir fühlen uns definitiv so.
Was sind Ihre Zukunftspläne: Wo möchten Sie mit Vaude in zehn Jahren stehen?
Dieser Weg, ein durch und durch nachhaltiges Unternehmen zu werden, ist nie zu Ende. Da werden sich immer wieder neue Baustellen öffnen. Ich finde diesen Weg, einerseits innovative und funktionelle Produkte zu machen, darin immer weiter voranzuschreiten und andererseits aber mit der gleichen Intensität das Thema Nachhaltigkeit zu verfolgen, wahnsinnig befriedigend. Und, ehrlich gesagt, wird das auch in zehn Jahren noch unserer Weg sein, weil es ein erfolgreicher Weg ist.
Wir bedanken uns für das Gespräch.